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Nächtiges Lied

Von

Das sind die singenden Nächte!
Da wandelt durch meine Kammer
Tönender Schmerz,
Ein wildes, zerströmendes Schluchzen,
Das ist mein Herz,
Das kann nicht schlafen
Und weint.

Setz mich dann auf den Bettrand
Und beginn zu singen,
Wie Mütter ihr krankes Kindlein
Zum Schlummern bringen:
Schlafe, mein Herz, schlafe,
Schlafe! …

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Gedicht: Nächtiges Lied von Maria Janitschek

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Nächtiges Lied“ von Maria Janitschek schildert in wenigen, aber intensiven Versen einen Zustand tiefer seelischer Erschütterung und Einsamkeit. Im Zentrum steht ein lyrisches Ich, das in einer durchwachten Nacht von innerem Schmerz überwältigt wird. Die Nacht wird hier nicht als Ruhezeit, sondern als akustisch lebendiger Raum erlebt, in dem das eigene Herz zum Klangkörper des Leidens wird.

Die erste Strophe eröffnet mit der fast klagenden Ausrufung „Das sind die singenden Nächte!“ – eine poetische Umkehrung der Erwartung, denn das „Singen“ ist hier Ausdruck des Schmerzes, nicht der Freude. Die Personifikation des Schmerzes, der „tönend“ durch die Kammer wandelt, macht das Innere des Ichs zu einer äußeren Gestalt. Die Zeile „Das ist mein Herz“ bringt diesen Schmerz wieder zurück ins Innere – es ist keine fremde Macht, sondern ein zutiefst persönliches, körperlich erfahrbares Gefühl, das „nicht schlafen / und weint“.

In der zweiten Strophe versucht das lyrische Ich, sich selbst zu trösten – die Geste, sich auf den Bettrand zu setzen und zu singen, ist zärtlich und zugleich verzweifelt. Der Vergleich mit einer Mutter, die ihr krankes Kind in den Schlaf singt, verleiht der Szene etwas Fürsorgliches, fast liebevoll Tröstliches – doch das Kind ist das eigene Herz, das sich dem Schlaf widersetzt. Das wiederholte „Schlafe, mein Herz, schlafe, / Schlafe!“ wird so zu einem fast beschwörenden Mantra gegen den inneren Aufruhr.

Thematisch bewegt sich das Gedicht zwischen Einsamkeit, seelischem Schmerz und einem zarten Versuch der Selbstheilung. Die reduzierte, lyrisch verdichtete Sprache, der Verzicht auf metaphorische Ausschweifung und die rhythmisch ruhige Struktur verleihen dem Text eine stille Eindringlichkeit. Das Gedicht wirkt wie ein nächtlicher Gebetsmoment, in dem das Ich im Schmerz verweilt, ohne ihn aufzulösen – aber zugleich eine Geste des Trostes und der inneren Stärke sichtbar macht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.