Nacht
Wieder leb‘ ich eine jener Nächte,
wo die Seele lachend Stern an Stern
in die Ewigkeiten tropfen möchte,
und mein Leib fühlt seine Schwere kaum…
Und in dieser Nacht – denn du bist fern –
muss ich in gestaltendunklen, feuchten
Waldesgründen wie in Rausch und Traum
meine ganze Seligkeit zerleuchten
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Nacht“ von Margarete Beutler thematisiert die poetische und zugleich konfliktreiche Erfahrung einer Nacht, in der die Seele in ein heiteres und freies Gefühl eintaucht, während der Körper eine Schwere empfindet. Zu Beginn des Gedichts beschreibt die Sprecherin eine Nacht, in der ihre „Seele lachend Stern an Stern / in die Ewigkeiten tropfen möchte“. Diese Worte vermitteln ein Gefühl der grenzenlosen Freiheit und des Transzendierens, als ob die Seele eine Reise in die Unendlichkeit antritt und in einer Art ekstatischer Freude schwebt. Die Seele ist leicht und ungebunden, während der Körper, der im Gegensatz dazu steht, seine „Schwere kaum“ fühlt.
Die zweite Strophe beschreibt, dass diese Nacht trotz der inneren Freiheit von der Abwesenheit einer geliebten Person geprägt ist – „denn du bist fern“. Diese Abwesenheit lässt die Sprecherin in den „gestaltendunklen, feuchten Waldesgründen“ umherirren. Die „dunklen, feuchten Waldesgründe“ können als Metapher für die Unsicherheit und Einsamkeit in dieser Nacht gedeutet werden, die durch das Fehlen der anderen Person noch verstärkt wird. Der Waldboden wird zu einem Ort der inneren Zerrissenheit, an dem der Wunsch nach Nähe und Verbindung in einen Zustand von „Rausch und Traum“ mündet.
Trotz der Dunkelheit und der Einsamkeit, die durch die Trennung hervorgerufen wird, ist die „ganze Seligkeit“ der Sprecherin noch immer lebendig. Sie fühlt den Drang, ihre Freude und ihren inneren Glanz zu „zerleuchten“. Diese „Seligkeit“ wird in einem poetischen Akt des Erleuchtens zum Ausdruck gebracht, der möglicherweise als ein Versuch verstanden werden kann, der eigenen Einsamkeit und Sehnsucht durch eine Art spirituelle oder kreative Entfaltung zu entkommen. Die Verschmelzung von Rausch, Traum und der Sehnsucht nach dem Geliebten lässt die Nacht zu einer komplexen Mischung aus Glück, Traurigkeit und innerer Bewegung werden.
Insgesamt schafft Beutler ein Bild einer Nacht, die von einer Mischung aus spirituellem Streben und emotionaler Zerrissenheit geprägt ist. Die Seele strebt nach Freiheit und Erfüllung, während die physische und emotionale Abwesenheit der geliebten Person eine tiefe Leere hinterlässt, die die Sprecherin mit einem Akt der Selbstverwirklichung und des „Lichtens“ zu füllen sucht.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.