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Meine Bekehrung zum Islam

Von

Planlos stand ich vor dem Laden eines grauen Orientalen
und beäugte die Paraden alter Tassen, Waffen, Schalen,
als mein Blick drei Worte fasste. – Unter silbernen Grelots
auf dem Grunde eines Gürtels stand da deutlich und kurios:
Allah ist groß!

Diese Worte, die in blauer Seide silbern eingestickt,
senkten in das Herz mir Trauer, das schon längst ein Gram gedrückt;
denn in meiner Taschen Dunkel wuchs höchst spärlich nur das Moos,
an der Börse, meiner Börse gab es Baisse stets satt Hausse:
Allah ist groß?

Ja, gewiss, ich zweifle – sprach ich – nicht an seiner Größe Macht,
aber zur Bedingung mach ich, dass für mich sein Wille wacht –
„Jene Strümpfe, Gott der Türken, schenk mir, die so namenlos
Ich ersehne, dann verkünd ich fortan mit Posaunenstoß:
Allah ist groß!

Jene Strümpfe, altgoldseiden, die der Gatte mir verwehrt,
schenk sie mir! Dies wird entscheiden, ob mein Herz dich gläubig ehrt.“
Und sieh da, gerade als ich also leise flehte, schoss
ein Gedanke in den Schädel, so, dass mich nicht mehr verdross:
Allah ist groß!

Ein Gedanke, so erhaben, wie ihn unter heitrer Stirn
stets nur edle Götter gaben, ward in meinem Menschenhirn.
Schnell barg ich mich, selig lächelnd, in der Kemenate Schoß,
aus den Tiefen meiner Seele rang es sich versöhnend los:
Allah ist groß!

Hier in meiner Kemenate schrieb ich voller Seelenruh,
und die Sterne standen Pate, und der Mond sah schmunzelnd zu.
Ei, wie schwärzte sich der Bogen! Aus der feuchten Feder flohs,
ward zu rhythmischen Girlanden, ward zu lyrischen Tableaus!
Allah ist groß!

Und mit dem beschriebnen Bogen trieb der Gott mich eilends fort,
bis der Großstadt dunkle Wogen spulten mich an richtgen Ort:
In den indiskreten Räumen eines Redaktionsbureaus
ward ich die erhabnen Verse für zwei Louisdorchen los.
Allah ist groß!

Um dies Geld, das ekle, runde, das mir dort verabfolgt ward,
tauscht ich noch zur selben Stunde jene Strümpfe, himmlisch zart
mit den goldnen Lorbeerkränzen an der Wade – (dies sub rose).
Ach, vergnügter war kein Weibchen seit den Zeiten Salomos:
Allah ist groß!

Ja, er kann Gedanken wandeln, bis sie Gold und Silber sind,
kann für dieses Strümpfe handeln wie ein Traum so zart und lind,
kann durch diese Strümpfe heben einen armen Erdenkloß
über die gemeinen Höhen ordinären Glücksniveaus:
Ja, er ist groß!

„Wär ich nicht ein Weib geboren, hätt ich dir,“ so sprach ich leise,
„Gott der Türken, gern geschworen, dir zu danken edler Weise,
einen Harem würd ich halten, unerhört und riesengroß,
vierzehnhundert kleine Türken schrien schon im Mutterschoß:
Allah ist groß!“

Als dann Freksa kam, der Gatte, der aus Sparsamkeitsprinzip
nicht gekauft die Strümpfe hatte, rief ich: „Allah hat mich lieb!
Sieh nur, was für schöne Strümpfe! Keine Tochter Pharaos
trug jemals dergleichen. Sieh nur, sitzen sie nicht ganz famos?
Allah ist groß!“

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Meine Bekehrung zum Islam von Margarete Beutler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Meine Bekehrung zum Islam“ von Margarete Beutler ist eine satirische, pointierte Erzählung in Versform, die mit ironischer Leichtigkeit religiöse Bekehrung, weibliches Begehren, Konsumverlangen und Alltagserfahrung kunstvoll verknüpft. Es parodiert die Vorstellung einer spirituellen Wandlung, indem es sie in eine humorvolle Geschichte über den Wunsch nach einem Paar luxuriöser Strümpfe einbettet – ein profanes Objekt wird zum Auslöser einer scheinbar religiösen Epiphanie.

Die Hauptfigur, eine Frau, steht „planlos“ vor einem orientalischen Laden und entdeckt dort die Worte „Allah ist groß“, kunstvoll in einen Gürtel eingestickt. Diese Worte lösen jedoch keine ehrfürchtige Reaktion aus, sondern werden sofort mit ihrer finanziellen Lage verknüpft: Das „Moos“ in der Tasche fehlt, und der „Gott der Türken“ wird kurzerhand angerufen, um ihren Wunsch zu erfüllen. Beutler nutzt hier ironisch den religiösen Pathos und kehrt ihn ins Alltägliche – der Glaube wird an die Bedingung geknüpft, dass Gott gefälligst für ein Paar altgoldseidene Strümpfe sorgt.

Im weiteren Verlauf steigert sich die Erzählung in eine absurde Komik: Ein „erhabener Gedanke“ führt zur dichterischen Eingebung, die das lyrische Ich dazu bringt, ein Gedicht zu schreiben, es bei einer Redaktion zu verkaufen und von dem Honorar schließlich die begehrten Strümpfe zu kaufen. Die Muse, der Glaube, der wirtschaftliche Erfolg – alles fließt hier scheinbar organisch ineinander, aber auf eine Weise, die das Höhere dem Niederen, Alltäglichen unterordnet. Der Spruch „Allah ist groß!“ wird zum running gag, der jede neue Wendung kommentiert – mal begeistert, mal spöttisch.

Sprachlich ist das Gedicht geprägt von einem spielerischen Ton, klarer Rhythmik und überraschenden Reimen. Es mischt gehobene Ausdrücke mit saloppen Alltagsformulierungen, wodurch eine charmante Spannung entsteht. Die weibliche Hauptfigur erscheint dabei als lebensklug, humorvoll und selbstironisch – sie stellt religiöse Ernsthaftigkeit bloß, ohne zu verletzen, sondern vielmehr durch Überzeichnung und Wortwitz.

So ist „Meine Bekehrung zum Islam“ keine tatsächliche Konversion, sondern eine augenzwinkernde Parabel über weibliche Selbstbestimmung, kreative Selbstbehauptung und die subversive Kraft des Humors. Der religiöse Topos dient hier nicht zur Lästerung, sondern als Bühne für ein ironisches Spiel mit den großen Themen der Sehnsucht, des Wunsches und der Erfüllung. In ihrer Mischung aus Leichtigkeit, Satire und poetischer Raffinesse zeigt Beutler hier auf kluge Weise, wie die kleinen Dinge des Lebens manchmal über das „ordinäre Glücksniveau“ hinausweisen – wenn auch ganz irdisch.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.