Jugendträume
Kalt ist, wer nicht Liebe suchet,
Spricht der Menschen große Zahl,
Elend ist, wer nie empfunden
Ihre Lust und ihre Qual!
Und das Letzte was sie sagen,
O, ich glaub es ihnen wohl,
Aber niemals kann ich fassen,
Dass man Liebe suchen soll.
Liebe muss sich auf uns senken
Wie ein schöner, goldner Traum,
Ahnungslos muss sie durchdringen
Unsres Herzens tiefsten Raum.
Und wenn dann wir leis erwachen,
Steht sie da als Königin,
Und vor ihrem Strahlenblicke
Sinken machtlos wir dahin.
So muss uns die Liebe nahen,
Soll sie heilge Liebe sein,
Denn der Schlaf schützt reine Herzen,
Himmlisches nur lässt er ein.
Wollte Gott mir leuchten lassen
Solcher Liebe Himmelslicht,
Kniend wollt ich sie empfangen,
Doch sie suchen kann ich nicht!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Jugendträume“ von Luise Büchner beschreibt eine idealisierte und beinahe mystische Auffassung von der Liebe, die sich auf den Sprecher in einer sanften und unerwarteten Weise niederlassen muss. Zu Beginn stellt der Sprecher fest, dass es als „kalt“ und „elend“ gilt, wer die Liebe nicht sucht oder nie erfahren hat. Doch in der weiteren Entwicklung des Gedichts wird eine klare Distanz zu der Vorstellung eingeführt, dass die Liebe aktiv gesucht werden muss. Der Sprecher lehnt diese Idee ab, da er glaubt, dass Liebe sich nicht auf diese Weise erzwingen lässt.
Die Liebe, so wie sie im Gedicht verstanden wird, muss sich „wie ein schöner, goldner Traum“ auf den Sprecher senken. Diese Darstellung zeigt die Liebe als ein übernatürliches und nahezu göttliches Geschenk, das überraschend und ohne Vorwarnung das Herz erreicht. Es wird eine ahnungslose, fast passive Haltung gegenüber der Liebe eingenommen, die den Sprecher vollkommen und unerwartet durchdringen soll. Die Liebe wird als ein Zustand des Erwachens dargestellt, bei dem der Sprecher in Ehrfurcht und Hingabe vor ihr niederfällt.
Der Gedichtteil, in dem die Liebe „als Königin“ erscheint, verstärkt das Bild der Liebe als eine majestätische und erhabene Macht, die den Sprecher zu Boden zwingt. Hier wird die Liebe als das höchste, fast göttliche Gut verstanden, das den Menschen mit einer solchen Kraft übermannt, dass er machtlos vor ihr niedergeht. Diese Darstellung der Liebe als etwas Höheres und Transzendentes spiegelt die Vorstellung wider, dass wahre Liebe nicht durch bewusste Anstrengung erlangt werden kann, sondern durch eine innere Erleuchtung und Hingabe.
Am Ende des Gedichts äußert der Sprecher den Wunsch, dass ihm „solcher Liebe Himmelslicht“ zuteil werde, jedoch ohne aktiv danach zu suchen. Das Gedicht endet mit einer ambivalenten Haltung gegenüber der Liebe: Obwohl sie als etwas Heiliges und Schönes dargestellt wird, kann sie nicht aktiv herbeigeführt werden. Der Sprecher akzeptiert, dass wahre Liebe nur dann eintreten kann, wenn sie sich selbst offenbart, wie ein „Himmelslicht“, das vom Himmel herabgesenkt wird.
Büchner bringt mit diesem Gedicht eine romantische und fast religiöse Vorstellung von der Liebe zum Ausdruck, die von passiver Hingabe und von einer Erleuchtung handelt, die den Menschen im richtigen Moment erreicht. Der Sprecher stellt sich die Liebe als etwas vor, das nicht gesucht, sondern von außen gewährt wird – ein idealisiertes Bild der Liebe, das die menschliche Anstrengung in den Hintergrund rückt und dem Schicksal überlässt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.