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Herbstlied

Von

Es liegt der Herbst auf allen Wegen,
In hundert Farben prangt sein Kleid,
Wie seine Trauer, seinen Segen
Er um sich streut zu gleicher Zeit.

Es rauscht der Fuß im welken Laube,
Was blüht und grünte, ward ein Traum –
Allein am Stocke winkt die Traube
Und goldne Frucht schmückt rings den Baum.

So nimmt und gibt mit vollen Händen
Der Herbst, ein Dieb und eine Fee;
Erfüllung kann allein er spenden,
Doch sie umfängt ein tiefes Weh! –

O, Herbst der Seele! deine Früchte,
Sind auch Gewinn sie, oder Raub?
Der Wünsche Blüte ist zunichte,
Der Hoffnung Grün ein welkes Laub.

Zu schwer erkauft, um zu beglücken,
O, Seelenherbst, ist deine Zier!
Der Saft der Traube kann entzücken,
Doch keine Wonne strömt aus dir.

Die Weisheit, wie die Frucht sie nennen,
Sie presst mir bittre Tränen aus,
Und ihres Kernes herbem Brennen
Entkeimet nie ein Frühlingsstrauß!

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Gedicht: Herbstlied von Luise Büchner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Herbstlied“ von Luise Büchner beschreibt die Ambivalenz des Herbstes, sowohl in seiner äußeren Erscheinung als auch als Symbol für die innere Welt der Seele. Der Herbst wird als eine Jahreszeit dargestellt, die Schönheit und Trauer zugleich vereint. Die „hundert Farben“ des Herbstes spiegeln seine Pracht wider, doch gleichzeitig trägt er auch eine gewisse Trauer in sich, was die Vergänglichkeit und den Abschied von der Sommerzeit symbolisiert. Der Herbst bringt sowohl Segen als auch Schmerz, indem er den Zyklus der Natur mit seiner Farbpracht schmückt und zugleich das Verblühen des Lebens markiert.

Im zweiten Abschnitt wechselt das Gedicht in eine reflektierende Haltung und deutet den Herbst als eine Zeit des Gebens und Nehmens. Die Traube am Stock und die goldene Frucht, die den Baum schmückt, sind sowohl ein Symbol für Ernte und Fülle als auch für den unvermeidlichen Zyklus des Lebens und der Vergänglichkeit. Hier wird der Herbst als eine „Fee“ und gleichzeitig als ein „Dieb“ beschrieben, da er sowohl Freude schenkt als auch etwas wegnimmt – der Höhepunkt des Lebens ist von Abschied und Verlust durchzogen.

Die folgenden Verse bringen eine tiefere Besinnung auf die Rolle des Herbstes für die Seele, die nicht nur von äußeren Vergänglichkeiten, sondern auch von inneren Konflikten geprägt ist. Die „Früchte“ des Herbstes, die sowohl Erfüllung als auch Wehmut bringen, spiegeln die emotionalen Erfahrungen wider, die durch die Enttäuschung über nicht erreichte Wünsche und die Vergänglichkeit der Hoffnung entstehen. Das Gedicht fragt nach dem wahren Gewinn und stellt fest, dass der Herbst, der die „Blüte der Wünsche“ zerstört, zugleich das „grüne Laub der Hoffnung“ welken lässt.

Am Ende wird der Herbst zu einer Metapher für die „Seelenherbst“-Erfahrung, in der Freude und Trauer untrennbar miteinander verbunden sind. Die Weisheit, die aus den Erfahrungen des Lebens gewonnen wird, bringt schmerzhafte Erkenntnisse, und obwohl sie als Frucht des Lebens betrachtet wird, bleibt sie bitter und unvollständig, ohne die Hoffnung auf einen Neubeginn, den der Frühling symbolisieren könnte. Die „bittre Träne“ und das „herbe Brennen“ der Weisheit deuten auf die schmerzhaften Lektionen hin, die die Seele in der Herbstzeit erfährt, und die Vorstellung, dass diese Erfahrung keine Erneuerung im Frühling hervorbringt, verstärkt das Gefühl von Verlust und Enttäuschung.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.