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Armins Klage

Von

„Wissen willst du, was ich leise seufze,
Warum Trauer meine Stirn umhüllt?
Nicht gering, o Cormar, ist mein Kummer,
Meine Kinder ruhn in Todesschlummer
Und von Schmerz ist meine Brust erfüllt!

Armin ist der Letzte seines Stammes,
Seine Glieder werden schwach und alt –
Finster ach! o Daura, ist dein Bette,
Tief dein Schlaf an kalter Grabesstätte,
Deiner Stimme Melodie verhallt.

Herbsteswinde, rauschet durch die Heide!
Bergesströme, brauset wild empor!
Stürme tobet in dem Haupt der Eichen,
Lass dein Angesicht, o Mond, sich zeigen,
Tritt aus halb zerrissnen Wolken vor!

Bring die Trauernacht vor meine Blicke,
Die Arindal, Daura mir entriss –
Daura, weißer als des Schwanes Flügel,
Lieblich, wie das Mondlicht an dem Hügel,
Gleich dem Hauch der Frühlingslüfte süß.

Flüchtig war Arindals Speer im Felde,
Rothe Wetterwolke war sein Schild,
Sanft sein Blick wie Nebel auf der Welle –
Armar kam, ein Krieger stark und schnelle,
Daura trug im Herzen tief sein Bild. –

Eraths Bruder Armar hat erschlagen,
Den zu rächen, Erath kam daher,
Kam, gekleidet wie des Meeres Söhne,
Weiß die Locke, sanft der Stimme Töne,
Leicht sein Nachen schaukelt auf dem Meer.

‚Schönstes Mädchen, holde Daura‘, sprach er,
‚Aus dem Meer hebt dort ein Felsen sich,
Rothe Frucht glänzt durch des Baumes Zweige,
Den er trägt – in meinen Nachen steige,
Dort harrt Armar, zu ihm führ ich dich!‘

Und sie ging und rief nach ihm, doch Antwort
Nur das Echo gab, sie rang die Hand:
‚Armar, was erfüllst du mich mit Zagen,
Daura, ruft dich, hör ihr banges Klagen!‘ –
Erath, der Verräter, floh zum Land.

Sie erhob der Stimme Klagetöne,
Rief Arindals, meine Hülfe an,
Von dem Felsen klang ihr Rufen wieder,
Von den Hügeln stieg Arindal nieder,
Rau mit Jägerkleide angetan.

Fand den stolzen Erath an der Küste,
Fest er an der Eiche Stamm ihn band,
Laut sein Schmerzgeheul die Luft durchschneidet;
Durch die Flut Arindals Nachen gleitet,
Daura schnell zu führen an das Land.

Da kam Armar her in seinem Grimme,
Der beschwingte Pfeil vom Bogen flog,
Flog, dein Herz, Arindal, zu durchbohren,
Deins an Eraths Statt, dem er erkoren –
Todesnacht dein treues Aug umzog!

Ihm entsinkt das Ruder, an dem Felsen
Strebt er noch empor – da bricht sein Herz!
Welches war, da du zu deinen Füßen
Sahst des Bruders Blut in Strömen fließen –
Welches war, o Daura, war dein Schmerz!

An den Klippen ist das Boot zerschmettert,
Armar stürzt sich in das wilde Meer,
Seine Daura will er kühn erretten,
Oder sich in dunkle Fluten betten –
Weh! er sinkt und kehret nimmermehr!

Auf dem seeumwogten Felsen jammernd
Meine Tochter saß in ihrer Qual,
Sie zu retten war ich nicht im Stande,
Weilt die ganze Nacht am Meeresstrande,
Sah sie bei des Mondes bleichem Strahl.

Kalter Regen peitscht der Berge Seiten,
Laut dazwischen heult des Nordens Wind,
Schwächer ward beim Morgenlicht ihr Weinen,
Schwand dahin, wie auf bemoosten Steinen
Leise seufzend stirbt der Abendwind.

Einer Blume gleich vom Sturm gebrochen,
So sank Daura schmerzbeladen hin,
Du, o Armin! bliebst allein von Allen!
Bei den Frauen ist mein Stolz gefallen,
Meine Macht im Kriege schwand dahin! –

Wenn ins Tal die Stürme niederbrausen
Und der Nord die Wogen wild erhebt,
Sitz ich an dem donnernden Gestade,
Schau hinüber nach dem Felsengrate,
Oft von meiner Kinder Geist umschwebt!

Still einträchtig wandlen sie zusammen,
Bleich der Mond ihr dämmernd Bild enthüllt –
Nicht gering, o Cormar, ist mein Kummer,
Meine Kinder ruhn im Todesschlummer
Und mit Schmerz ist meine Brust erfüllt!“

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Armins Klage von Luise Büchner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Armins Klage“ von Luise Büchner beschreibt den tiefen Kummer und die Trauer einer Mutter, die ihren Sohn und ihre Tochter durch tragische Umstände verloren hat. Die Erzählung beginnt mit einer Klage an einen gewissen „Cormar“, in der die Mutter ihren Schmerz über den Tod ihrer Kinder ausdrückt. Der Verlust von Daura und Arindal, beides starke, bedeutende Figuren, ist nicht nur ein persönliches Unglück, sondern steht auch symbolisch für den Verlust von Leben und Liebe in einer Welt voller Gewalt und Tragödien. Der Kummer der Mutter wird durch die starken Naturbilder unterstrichen: der Herbstwind, die stürmischen Berge und die wilden Ströme spiegeln das Chaos und die Unwägbarkeiten des Lebens wider.

Die Geschichte des Gedichts folgt der tragischen Liebesgeschichte zwischen Daura und Arindal. Arindal, ein tapferer Krieger, wird durch den Verrat von Erath getötet, und Daura, die ihre Liebe und ihren Schmerz in ihrer verzweifelten Suche nach Rettung ausdrückt, ist von diesem Moment an in Trauer gehüllt. Das Bild von Arindals Tod ist das zentrale Element der Klage, das die tiefste Trauer der Mutter hervorruft, da sie sowohl die körperliche Zerstörung ihrer Kinder als auch den Verlust von Idealen und Hoffnungen über den Krieg und die Gewalt hinweg betrauert. Besonders in den Szenen, in denen Daura von Armar ertrunken ist, wird die Unausweichlichkeit des Schicksals und die Bedeutung der Liebe und des Opfers deutlich.

In der zweiten Hälfte des Gedichts wird die Mutter von der vergeblichen Suche nach ihrer Tochter auf einem Felsen begleitet, von der Unmöglichkeit, ihre Kinder zu retten. Der ständige, quälende Kampf gegen das Unabänderliche wird durch den düsteren Bildwortschatz, wie den „Mond“, der bleich und schattenhaft erscheint, und den „kalten Regen“, verstärkt. Der Verlust wird als gewaltige, unerträgliche Erfahrung gezeigt, die nicht nur das Leben der Mutter verändert, sondern auch die Verbindung zur Welt der Lebenden und Toten. Ihre Sehnsucht nach ihren verlorenen Kindern ist spürbar und die Vorstellung, dass die Geister ihrer Kinder immer noch um sie schweben, verleiht dem Gedicht eine mystische und zugleich tragische Dimension.

Das Gedicht endet mit der Mutter, die am „donnernden Gestade“ sitzt und auf das „Felsengrat“ blickt, einen Ort des Todes und der Erinnerung, während sie von ihren verstorbenen Kindern träumt. Ihre Trauer hat die ganze Welt durchdrungen, die Natur selbst scheint ihren Schmerz widerzuspiegeln. Die Frage nach dem Verbleib der „Geister“ der Kinder und der Bedeutung dieses Verlusts bleibt unausgesprochen, aber durch das wiederkehrende Bild der gequälten, heulenden Winde und der stürmischen See wird der tiefe, niemals endende Schmerz ihrer Klage hervorgehoben. Die Mutter bleibt eine Figur der Trauer, deren Verlust eine weltweite Dimension angenommen hat, und ihr Schmerz ist sowohl eine persönliche als auch eine universelle Erfahrung des menschlichen Leidens.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.