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Gold

Von

(aus Kriminal Sonette)

FRED wird in einem braunen Tabakballen
Vom Hafen auf die Zollstation getragen.
Dort schläft er, bis die Schiffsuhr zwölf geschlagen.
Erwacht und schleicht sich in die Lagerhallen.

Am Gold-Depot, wo trunkne Wächter lallen,
Lässt er den kleinen Mörtelfresser nagen,
Bis wie beim Kartenhaus die Mauern fallen.
Dann lädt er Gold in einen Grünkohlwagen.

Als Bauer fährt er sächselnd durch den Zoll.
Doch dort verraten ihn zwei blanke Barren.
Berittne jagen den Gemüsekarren.

Fred sinnt verwirrt, wie er sich retten soll.
Da sitzt DER FREUND in hoher Eberesche
Und schießt ihm pfeiferauchend eine Bresche.

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Gedicht: Gold von Ludwig Rubiner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Gold“ von Ludwig Rubiner ist ein spannungsreiches, satirisches Sonett aus dem Zyklus Kriminal Sonette, das sich spielerisch mit einem fiktiven Kriminalfall befasst. Es erzählt in knapper, szenischer Dichte den Einbruch in ein Golddepot und die anschließende Flucht des Diebs Fred, der sich als Bauer tarnt. Die kunstvolle Mischung aus Krimi-Parodie, Gesellschaftskritik und Groteske verleiht dem Text eine eigentümliche Dynamik.

Bereits die ersten Verse führen in eine halb-düstere, halb-komische Welt ein: Fred wird im Tabakballen geschmuggelt, schläft versteckt und beginnt dann seinen nächtlichen Coup. Der Einbruch ins Gold-Depot verläuft beinahe märchenhaft surreal: ein „kleiner Mörtelfresser“ nagt an der Wand – eine fantastische Figur, die an Kindergeschichten erinnert, aber hier als subtiles Mittel der Ironisierung dient. Die Wächter sind „trunkne“, also betrunken und unfähig, das Geschehen zu verhindern – ein deutlicher Hinweis auf die Lächerlichkeit oder Laxheit von Autoritäten.

Die Spannung steigert sich, als Fred das Gold in einem „Grünkohlwagen“ versteckt und sächselnd (!) als Landmann durch den Zoll will – eine gezielte Verkleidung, die auf soziale Stereotype anspielt. Doch trotz der ausgeklügelten Tarnung verraten ihn „zwei blanke Barren“. Diese ironische Wendung entlarvt nicht nur die Leichtsinnigkeit des Täters, sondern spielt auch mit dem absurden Moment, in dem ein groß angelegter Plan an einer Kleinigkeit scheitert.

Die Verfolgung nimmt beinahe filmische Züge an: berittene Beamte jagen den Gemüsekarren, während Fred überlegt, wie er sich retten kann. Im letzten Terzett wird die Geschichte nochmals überhöht: Ein Freund sitzt in einer „hohen Eberesche“ – eine fast märchenhafte Figur – und schießt ihm „pfeiferauchend eine Bresche“. Diese Szene verbindet anarchischen Witz mit einer fast romantischen Vorstellung von Freundschaft und Flucht, die das Gedicht in einer Mischung aus Action, Absurdität und Sympathie für den Antihelden enden lässt.

Rubiners Gedicht vereint Elemente des Kriminalromans, expressionistischer Bildsprache und Gesellschaftssatire. Es persifliert die Welt von Ordnung und Gesetz, indem es sie mit listigem Humor und poetischer Übertreibung unterläuft. In dieser scheinbar leichtfüßigen Geschichte liegt zugleich ein kritischer Blick auf Autoritäten, soziale Rollen und das Scheitern menschlicher Pläne – verpackt in ein sprachlich pointiertes, bilderreiches Sonett.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.