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Jedem das Seine

Von

Ich mag eure dunkle Kirche nicht!
Ich liebe die helle Sonne!
Und tausendmal lieber ist mir mein Weib
Als eure gemalte Madonne.

Und tausendmal lieber ist mir der Sohn,
Den mir meine Fraue geschenkt hat,
Als euer vergoldetes Kruzifix,
Das Arme und Beine verrenkt hat.

Ich mag überhaupt das Weltfremde nicht,
Was frostig, vergilbt oder tot ist.
Ich liebe das Leben, die Freude, das Licht
Und das Blut, wenn es sprudelt und rot ist.

Robin Niemeyer

Ein Kommentar

Ludwig Fahrenkrog, einer der zahlreichen Wegbereiter des Nationalsozialismus und seiner staatlichen Institutionalisierung, gründet 1912 die
Germanische Glaubensgemeinschaft (GGG)
, die sich, anders als andere religiöse Strömungen innerhalb der dem Dritten Reich vorangehenden völkischen Bewegung, fundamental gegen das Christentum wendet. Dem aus der Sicht Fahrenkrogs in der christlichen Kirche institutionalisierten, aus vielerlei Gründen als ‚artfremd‘ vorgestellten Christentums stellen die Germanengläubigen eine sogenannte Lichtreligion gegenüber, die mit den religiösen Riten der Germanen identifiziert wird. Sinnbild dieses Glaubens ist die Sonne, deren Gelb zusammen mit dem Blau des Himmels gleichzeitig als eine der beiden ‚arischen Farben‘ gilt:

„Ich mag eure dunkle Kirche nicht!
Ich liebe die helle Sonne!“

Tatsächlich erscheint das Christentum, von den Völkischen jedweder Couleur weitgehend mit einem Katholizismus identifiziert, der seinerseits auf dem Judentum aufbaut, als der Inbegriff von falschen Werten und Götzendienerei:

„Und tausendmal lieber ist mir mein Weib
Als eure gemalte Madonne.“

Diesem Gedankengang entspricht die darauf folgende Strophe:

„Und tausendmal lieber ist mir der Sohn,
Den mir meine Fraue geschenkt hat,
Als euer vergoldetes Kruzifix,
Das Arme und Beine verrenkt hat.“

Jesus Christus, Symbolfigur des Christentums, ist als Krüppel gezeichnet, mithin als minderwertig, unwert – eine Charakterisierung, die auf den seit der Jahrhundertwende virulenten Euthanasiegedanken abhebt. Diesem Christus, der schwach ist, „verrenkt“ wird ganz in der Tradition der völkischen Blut-und-Boden-Phraseologie der wie man annehmen darf: ‚gesunde‘ Sohn des lyrischen Ichs gegenübergestellt, ein deutsches Kind, geboren aus dem Schoß des arischen Weibs, der germanischen ‚Fraue‘, dies eine Aktualisierung der mittelhochdeutschen
vrouwe
, deren Ursprünge mit etwas Geschick im Germanischen verortet werden können. Das vergoldete Kruzifix kennzeichnet darüber hinaus einen weiteren Hauptangriffspunkt der Völkischen: den ‚Materialismus‘ katholischer Provenienz.

„Ich mag überhaupt das Weltfremde nicht,
Was frostig, vergilbt oder tot ist.“

Ist der Katholizismus, seit dem bismarckschen Kulturkampf und den Tagen der Wirkungsmächtigen Los-von-Rom-Bewegung Inbegriff von Fremdherrschaft, als materiell konnotiert, eine Eigenschaft, die sich darüber hinaus aufs beste mit dem Stereotyp des jüdischen Schacherers und Wucherers verkoppeln lässt, so hat das Judentum aus der Sicht der Völkischen über den Dekalog des Alten Testaments Eingang in das christliche Denken gefunden – nicht ohne Grund ist auch im sogenannten deutschchristlichen Flügel der völkischen Bewegung die ,Ausschneidung‘ des Alten Testaments aus dem Glaubenskanon der christlich-protestantischen Kirche
common sense
. Auch wenn das Gegenteil der Fall ist, gilt den Völkischen ihre Religion als Religion des Lebens – das Judentum aber, und hier auch die von Moses überlieferten Zehn Gebote, ist als ‚Buchstabenreligion‘ apostrophiert, als Religion der Gesetze und des Rationalismus, überdies, wie der Katholizismus, als Religion der Sühne und Strafe, mit einem Wort: als „frostig, vergilbt oder tot“. Und: Beides sind Religionen, die auf das Jenseits gerichtet sind, auf eine andere, fremde Welt. Die völkischen Religionsentwürfe aber sind diesseitige, sind Entwürfe der Stärke gegen die Unterlegenen, Entwürfe der Tat, Entwürfe der Vernichtung:

„Ich liebe das Leben, die Freude, das Licht
Und das Blut, wenn es sprudelt und rot ist.“

Das Blut ist nach völkischem Verständnis Sitz der Seele und Träger der Rasseneigenschaften, dessen ‚Reinheitsgrad‘ über den Rassencharakter entscheidet – der im Falle des Ariers, dieses noch immer lebendigen Konstrukts, durch Begriffe wie Redlichkeit, Aufrichtigkeit, Erdverbundenheit, Innerlichkeit und Einfachheit charakterisiert ist. Gleichzeitig ist die arische als Teil der nordischen die jüngste und damit reinste, in der Terminologie der Völkischen: unverfälschteste und also stärkste Rasse, deren Anspruch auf Weltherrschaft im Kampf durchzusetzen ist.
Mithin: Leben, Freude und Licht setzt die Vertreibung der ‚Dunkelheit‘ voraus, die Vertreibung des Bösen – den Tod des Anderen, des Fremden, seine Zerstörung: Jedem das Seine.

Robin Niemeyer

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Jedem das Seine von Ludwig Fahrenkrog

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Jedem das Seine“ von Ludwig Fahrenkrog ist eine deutliche Absage an das Christentum und eine Verherrlichung einer vermeintlich „natürlichen“ Lebensweise, die an völkische Ideale angelehnt ist. Durch den Gegensatz von Dunkelheit und Licht wird eine klare Trennung zwischen dem als fremd empfundenen Christentum und der vom lyrischen Ich bevorzugten naturverbundenen Welt gezogen. Die Ablehnung der Kirche als „dunkel“ und die Hervorhebung der Sonne als „hell“ symbolisieren diese Dichotomie besonders prägnant.

In den folgenden Strophen wird diese Gegenüberstellung weiter ausgeführt: Die christlichen Symbole, etwa die Madonna und das Kruzifix, werden abgewertet und der eigenen Familie entgegengestellt. Besonders auffällig ist die negative Darstellung des gekreuzigten Christus als „verrenkt“, was nicht nur eine Ablehnung der christlichen Leidensethik impliziert, sondern auch mit der Ideologie körperlicher „Gesundheit“ in Verbindung gebracht werden kann. Die Familie, insbesondere das eigene Kind, erscheint dagegen als Symbol der Vitalität und des „wahren“ Lebens.

Die letzte Strophe radikalisiert diese Weltsicht noch weiter. Das lyrische Ich verachtet alles, was „frostig, vergilbt oder tot“ ist, und verherrlicht stattdessen das „Leben, die Freude, das Licht“. Besonders alarmierend ist die abschließende Zeile, in der das „sprudelnde, rote Blut“ gepriesen wird. Dies kann als direkter Bezug zur völkischen Blut-und-Boden-Ideologie gelesen werden, die die Reinheit des Blutes und den Kampf als notwendige Prinzipien des Lebens betrachtete. Insgesamt ist das Gedicht ein Beispiel für die Verbindung von Naturverklärung und völkischem Gedankengut, das sich gegen das Christentum und vermeintlich „fremde“ Einflüsse richtet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.