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Üb‘ immer Treu und Redlichkeit

Von

Üb‘ immer Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab.

Dann wirst du wie auf grünen Au’n,
Durch’s Pilgerleben geh’n
Dann kannst du sonder Furcht und Grau’n
Dem Tod ins Antlitz seh’n.

Dann wird die Sichel und der Pflug
In deiner Hand so leicht,
Dann singest du beim Wasserkrug,
Als wär‘ dir Wein gereicht.

Dem Bösewicht wird alles schwer,
Er tue was er tu,
Ihm gönnt der Tag nicht Freude mehr,
Die Nacht ihm keine Ruh.

Der schöne Frühling lacht ihm nicht,
Ihm lacht kein Ährenfeld,
Er ist auf Lug und Trug erpicht,
Und wünscht sich nichts als Geld.

Der Wind im Hain, das Laub im Baum
Saust ihm Entsetzen zu,
Er findet, nach des Lebens Raum
Im Grabe keine Ruh.

Drum übe Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab!

Dann suchen Enkel deine Gruft
Und weinen Tränen drauf,
Und Sonnenblumen, voll von Duft,
Blüh’n aus den Tränen auf.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Üb‘ immer Treu und Redlichkeit von Ludwig Christoph Heinrich Hölty

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Üb’ immer Treu und Redlichkeit“ von Ludwig Christoph Heinrich Hölty ist ein moralisches Lehrgedicht, das die Tugenden der Ehrlichkeit, Treue und Gottesfürchtigkeit preist. Es richtet sich in mahnender und zugleich ermutigender Weise an den Leser und gibt eine klare ethische Lebensanleitung: Wer rechtschaffen lebt und Gottes Wegen folgt, wird mit innerem Frieden, Lebensfreude und einem würdevollen Tod belohnt.

Das Gedicht entfaltet eine klare Gegenüberstellung zweier Lebenswege. Einerseits steht der redliche Mensch, dessen Weg mit Bildern von grünen Auen und leichtem Arbeiten unter Gottes Schutz beschrieben wird. Diese Idylle symbolisiert Seelenruhe und Zufriedenheit. Der Glaube und die Tugend verleihen dem Leben Leichtigkeit und selbst dem Tod verliert der Mensch seinen Schrecken, wenn er ein aufrichtiges Leben geführt hat.

Demgegenüber steht der Bösewicht, der durch Habgier und Unehrlichkeit seine innere Ruhe verliert. Naturbilder wie der Frühling oder das Ährenfeld, die sonst für Freude und Fülle stehen, wenden sich von ihm ab. Selbst die Natur scheint sich gegen ihn zu stellen, der „Wind im Hain“ flößt ihm „Entsetzen“ ein. Besonders drastisch ist das Bild vom Grab, das ihm „keine Ruh“ bietet – ein Symbol für das schlechte Gewissen, das ihn über den Tod hinaus verfolgt.

Formal ist das Gedicht einfach und volksliedhaft gehalten, was seine Wirkung als moralische Lebensregel verstärkt. Die klare Struktur und Wiederholungen – besonders in der ersten und letzten Strophe – betonen die zentrale Botschaft: Die Übung von Treue und Redlichkeit ist der Weg zu einem sinnvollen, geachteten Leben. Selbst nach dem Tod wird der Tugendhafte durch das Gedenken der Nachkommen geehrt – Blumen wachsen aus ihren Tränen.

Hölty verbindet in diesem Gedicht die Ideale der Aufklärung mit volkstümlichem Ton: Ein tugendhaftes Leben führt zu Glück und innerer Harmonie, während der moralisch Verirrte selbst inmitten äußerem Reichtum leer und verfolgt bleibt. So wird das Gedicht zu einer poetischen Lebensregel, die das Individuum zu Aufrichtigkeit, Demut und Gottesnähe anhält.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.