Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , ,

Zwei Bäume

Von

Zwei Bäume hab‘ ich einst im Wald gesehn,
Die wollten sich einander nahe stehn.
Sie schau’n sich an voll Sehnsucht, möchten gern
Sich fest umschlingen; doch sie stehn zu fern,
Denn andrer Grund ist Jedem angewiesen,
Darin des Lebens starke Wurzeln sprießen.
So neigt sich Jeder still zum Andern hin,
Der Eine scheint den Andern anzuzieh’n,
Bis es zuletzt gelingt den schlanken Zweigen,
Sich in den Kronen liebend zu erreichen.
Wie sie die Aeste in einander flechten,
Sind sie beschirmt von liebevollen Mächten;
In blauen Lüften, wo die Wolken jagen,
Da dürfen sie sich ihre Sehnsucht klagen.
Sie dürfen Blüth‘ um Blüthe selig tauschen,
An ihren Düften wonnig sich berauschen.
Sie stehn, vom Licht des Abendroths umglüht,
Gleich wie von tausend Rosen überblüht;
Verklärend weben aus der Himmelsferne
Ihr heilig Licht darum die ew’gen Sterne.

So möcht‘ ich mich mit dir zur Höhe schwingen,
Mit tausend Liebesarmen dich umschlingen,
Mit meines Herzens innigsten Gedanken
Dich unauflöslich fassen und umranken.
So möcht‘ ich deinem höchsten Leben lauschen,
So möcht‘ ich Seel‘ um Seele mit dir tauschen,
Hoch über’m düstern Nebelreich der Erden,
Im Himmelblau mit dir vereinigt werden,
Wo keines Menschen Augen auf uns sehn,
Wo nur die Sterne auf und niedergehn.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Zwei Bäume von Louise von Plönnies

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Zwei Bäume“ von Louise von Plönnies ist eine zarte Allegorie auf die unerfüllte oder erschwerte Liebe, die dennoch ihren Ausdruck in inniger seelischer Verbundenheit findet. Zwei Bäume im Wald, die sich nicht am Boden, wohl aber in ihren Kronen berühren können, dienen als zentrales Bild für zwei Menschen, die durch äußere Umstände getrennt sind, sich aber geistig und emotional vereinen.

Die ersten Strophen beschreiben die beiden Bäume als sinnbildlich Liebende, deren Wurzeln – also Lebensumstände oder gesellschaftliche Gegebenheiten – sie an getrennte Orte binden. Trotz dieser Trennung wächst zwischen ihnen eine tiefe Verbindung. Die zarten Zweige, die sich in luftiger Höhe begegnen, stehen dabei für die Bereiche des Geistes, der Sehnsucht und der Liebe, die sich über die Grenzen des Materiellen hinweg verbinden können. Diese Höhen sind auch symbolisch aufgeladen: Dort, „wo die Wolken jagen“ und die Sterne leuchten, entfaltet sich eine überirdische, fast spirituelle Liebe.

Die zweite Hälfte des Gedichts ist in der Ich-Form gehalten und bringt die innere Stimme des lyrischen Ichs zum Ausdruck. Hier wird der Wunsch geäußert, sich dem Geliebten vollständig hinzugeben – ihn zu umschlingen, ihn mit Gedanken zu „umranken“ und Seele mit Seele zu tauschen. Es ist ein leidenschaftliches Verlangen nach Verschmelzung, das über das Irdische hinausreicht. Der „düstern Nebelreich der Erden“ wird bewusst hinter sich gelassen; die Liebe soll im „Himmelblau“ stattfinden, unsichtbar für Menschen, nur bezeugt von den Sternen.

Louise von Plönnies verwebt in diesem Gedicht Naturbild und Seelenzustand auf kunstvolle Weise. Die Bäume stehen nicht nur für zwei Liebende, sondern auch für die Art, wie Liebe in einem Idealbild existieren kann: jenseits von Besitz, Nähe oder Alltag, getragen von innerer Treue, gegenseitiger Hinwendung und geistiger Verbundenheit. Das Gedicht feiert damit eine Liebe, die zwar in der Realität Einschränkungen erfährt, aber in der höheren, poetischen Sphäre ihre Erfüllung findet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.