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Meine Lieder

Von

Als Kind schon nahm die Leier ich zu Handen –
Denn früh verlernte ich der Kindheit Spiele;
Ich träumte nur in stillen Dichterlanden
Entrückt der Schwestern lärmenden Gewühle.
Ob auch mein Lied verstimmt und schrill geklungen
Gleich einer Glocke, die entzwei gesprungen,
Dumpfdröhnend nur und unharmonisch läutet:
Ich wußt es doch was Dichterlust bedeutet!

Ich sang von Schmetterlingen und von Sternen,
Sang meinen Teuern, die im Jenseit wallen,
Ich sang von Gott und heiligen Himmelsfernen,
Bald auch von Rosen und von Nachtigallen,
Von Nachtigallen, denn im Liebeshaine
Fühlt ich der Liebe Wonne als die meine –
Fühlt ich ein neues Wesen mich geworden –
Da – ha! ein Schlag – ich stand an Grabespforten.

Sie gähnten weit und schlossen dann sich wieder –
Ich blieb zurück auf thränenfeuchter Erde,
Um mich verdorrte Kränze, Klagelieder,
In mir ein Feuer, das am Herzen zehrte! –
Was sing ich nun? – soll ich in eitlen Klagen,
Der kalten Welt von heißen Schmerzen sagen?
Soll ich um Mitleid singend betteln gehen?
Soll feig den Tod ich um Erlösung flehen? –

O Eines, Eines hab ich mir gerettet,
Es ist der Stolz, der mit dem Schicksal ringet,
Der sich wohl auch auf einem Grabe bettet,
Und doch im Leide festen Mut erzwinget.
O der weiß nichts von starren Ohnmachtskrämpfen
Er wagts noch um das höchste Gut zu kämpfen
Auf denn zum Lied! als Schwert solls Euch begegnen
Es ist gefeit zum Rächen und zum Segnen.

Das Lied der Freiheit ist mir noch geblieben –
Ich will es kühn vor ihren Feinden singen;
Es soll mit Jubeln und mit heilgen Lieben
Zu ihnen und des Volkes Freunden dringen.
Sie können höhnen mich und schweigen heißen,
Die Lieb zur Freiheit nimmer mir entreißen.
In solchem Kampfe fühl ich mich gefunden:
Der Streit der Freiheit heilt der Liebe Wunden.

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Gedicht: Meine Lieder von Louise Otto-Peters

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Meine Lieder“ von Louise Otto-Peters thematisiert die Entwicklung einer Dichterin, die sich schon in der Kindheit von der Welt abwendet und Trost und Ausdruck in der Poesie findet. In einer Rückschau beschreibt das lyrische Ich seinen frühen Hang zur Dichtung, verbunden mit einer Abkehr von der kindlichen Unbekümmertheit. Bereits als Kind flüchtet sie sich in „Dichterlande“, abseits des „lärmenden Gewühls“ – eine erste Andeutung von Einsamkeit, aber auch von einer intensiven inneren Welt. Die Unsicherheit über die Qualität ihres Liedes wird offen benannt, doch das Bewusstsein über die tief empfundene „Dichterlust“ bleibt stark.

In der zweiten Strophe wird das thematische Spektrum der frühen Dichtung entfaltet: Natur, Spiritualität und Liebe. Besonders der Abschnitt über die Liebe bringt eine entscheidende Wendung – aus der Liebeserfahrung folgt ein plötzlicher Bruch, symbolisiert durch den Schlag an der „Grabespforte“. Dieser Einschnitt verweist auf ein tiefes Leid, vielleicht den Verlust eines geliebten Menschen oder eine bittere Enttäuschung. Die poetische Stimme, eben noch erfüllt von Liebeswonne, findet sich plötzlich im Schmerz und in der Verlassenheit wieder.

Die dritte Strophe setzt sich mit der Frage auseinander, wie man mit solchem Schmerz umgehen soll. Klage, Mitleid oder Todessehnsucht werden als mögliche, aber abgelehnte Reaktionen benannt. Stattdessen betont das lyrische Ich die Kraft des inneren Stolzes, der selbst auf einem „Grabe“ Bestand hat. Dieser Stolz wird zur moralischen Stütze, zur Quelle eines neuen, kämpferischen Liedes. Das Lied wird nun zur Waffe – ein „Schwert“, das nicht nur verletzen, sondern auch „segnen“ kann, also konstruktiv wirken soll.

In der letzten Strophe kommt es zur klaren politischen Positionierung. Die Liebe zur Freiheit wird zur neuen Triebkraft des lyrischen Ichs. Das Lied dient nicht mehr der persönlichen Klage, sondern einem größeren Zweck: dem Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit. Louise Otto-Peters verbindet hier persönliche Erfahrung mit politischem Engagement. Der Schmerz der Liebe wird sublimiert, indem er im Freiheitskampf einen neuen Sinn erhält. Das Gedicht mündet in die Überzeugung, dass die Hingabe an eine kollektive, idealistische Sache – die Freiheit – die persönlichen Wunden heilen kann.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.