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Ich sing mein Lied

Von

Ich sing mein Lied in tiefen Raum,
Es dringt hervor aus tiefer Brust,
Es singt Dir eine Melodie,
Hast Du mich nun noch nicht erhört,
Und trinke Lindenblütentee,
Und frage mich: „Was bist denn Du,

man hört es kaum.
mir unbewusst.
jetzt oder nie.
bin ich empört
der mildert Weh,
Du alte Kuh?“

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Gedicht: Ich sing mein Lied von Kurt Schwitters

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ich sing mein Lied“ von Kurt Schwitters verbindet lyrische Tradition mit ironischer Brechung und ist ein typisches Beispiel für seine dadaistische und experimentelle Schreibweise. Formal nähert es sich zunächst dem romantischen Ausdruck individueller Gefühlswelt – das lyrische Ich beginnt mit einem scheinbar ernsthaften Liebes- oder Bekenntnislied – nur um diese Stimmung abrupt zu stören.

In der ersten Strophe wird ein Lied aus „tiefer Brust“ in den „tiefen Raum“ gesungen – klassische Bilder innerer Sehnsucht und poetischer Selbstoffenbarung. Auch die Melodie, die jemandem gesungen wird, klingt nach romantischer Anrufung. Doch ab der vierten Zeile kippt die Tonlage: Der erwartete Pathos wird durch lakonische oder groteske Wendungen ersetzt. Die Aussage „Hast Du mich nun noch nicht erhört“ lässt bereits leichte Ironie erkennen, bevor mit „Und trinke Lindenblütentee“ ein banaler, fast komischer Alltagseinschub folgt.

Der Reim und die Parallelstruktur der zweiten Strophenhälfte entlarven zunehmend die Willkür oder Absurdität emotionaler Ausdrucksmuster. Das Gedicht gleitet von Pathos zu Parodie: Die letzten beiden Zeilen – „Und frage mich: ‚Was bist denn Du, / Du alte Kuh?‘“ – brechen den lyrischen Tonfall vollständig und verwandeln das Gedicht in ein groteskes Spiel. Was als innerer Gesang beginnt, endet in derb-spöttischer Resignation.

Schwitters spielt hier mit den Erwartungen an Lyrik und unterläuft bewusst deren Konventionen. Die strophische Form, der scheinbare Ausdruck echter Gefühle und die Verwendung von Reimen wirken wie bewusst eingesetzte Bausteine eines poetischen Spiels, das seine eigene Ernsthaftigkeit untergräbt. Dadurch wird auch die Beziehung zwischen Sprecher und Adressatin unklar: Ist es Spott, Enttäuschung oder bloße Provokation?

Insgesamt lässt sich „Ich sing mein Lied“ als parodistische Reflexion über die Rolle des lyrischen Ichs lesen – zwischen dem Wunsch, gehört zu werden, und der Lächerlichkeit, die in jedem Versuch persönlicher Mitteilung steckt. Schwitters verwandelt das ernste Lied in ein dadaistisches Spiel mit Sprachkonventionen und Erwartungen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.