Es kehrt die Zeit
Dreimal so weit.
Ich bin entzweit
Millionenweit.
Ich bin bereit:
Es kehrt die Zeit.
Die Zeit ist um,
Vorbei, vorbei.
Die Welt wird dumm,
Der Stab geht krumm,
Es fließt das Ei
Vorbei, vorbei.
Es kehrt die Zeit
Dreimal so weit.
Ich bin entzweit
Millionenweit.
Ich bin bereit:
Es kehrt die Zeit.
Die Zeit ist um,
Vorbei, vorbei.
Die Welt wird dumm,
Der Stab geht krumm,
Es fließt das Ei
Vorbei, vorbei.

Das Gedicht „Es kehrt die Zeit“ von Kurt Schwitters spielt mit der Idee der Zeit und ihrer Wahrnehmung. Es beginnt mit der Feststellung, dass die „Zeit“ zurückkehrt, „dreimal so weit“, was auf eine Wiederholung oder eine Verzerrung der Zeit hindeutet. Der Sprecher ist „entzweit“ und fühlt sich in einer Art innerer Zerrissenheit, die durch die Darstellung von „Millionenweit“ noch verstärkt wird. Diese Weite symbolisiert möglicherweise ein Gefühl der Entfremdung oder Distanzierung, das durch den Zyklus der Zeit verursacht wird. Der Satz „Ich bin bereit: Es kehrt die Zeit“ kann als Akzeptanz des fortwährenden Kreislaufs der Zeit und der unvermeidlichen Veränderungen interpretiert werden.
In der zweiten Strophe tritt eine radikale Wendung auf: Die Zeit „ist um“, „vorbei, vorbei“. Hier scheint die Zeit nicht mehr eine fortschreitende Bewegung zu sein, sondern etwas, das abrupt endet. Schwitters verwendet den Ausdruck „die Welt wird dumm“, was eine Verwirrung oder Sinnlosigkeit in Bezug auf den Ablauf der Zeit nahelegt. Diese Vorstellung wird weiter durch die Bilder von „dem Stab geht krumm“ und „das Ei fließt vorbei“ verstärkt. Der „krumme Stab“ könnte als Symbol für die Verzerrung oder den Bruch in der Ordnung der Welt verstanden werden, während das „Ei“ – oft ein Symbol für Anfang und Leben – sich nicht mehr in seiner gewohnten Form verhält, sondern „vorbei“ fließt, was seine Vergänglichkeit und den Verlust seiner ursprünglichen Bedeutung betont.
Das Gedicht enthält eine klare Dystopie, die mit einer drastischen Wendung in der Wahrnehmung der Zeit und der Welt spielt. Es stellt die Idee vor, dass die Zeit nicht nur unaufhaltsam weitergeht, sondern dass ihre Wiederholung oder Veränderung auch zu einem Zustand der Verwirrung und Unordnung führen kann. Die wiederholte Phrase „vorbei, vorbei“ verstärkt das Gefühl des Verlusts und der Endgültigkeit.
Schwitters’ Gedicht ist ein typisches Beispiel für dadaistische Techniken, bei denen konventionelle Bedeutungen und Strukturen hinterfragt werden. Die Zeit wird nicht nur als lineares Konzept dargestellt, sondern als etwas, das sich wiederholt, verfließt und gleichzeitig das Gefühl der Verwirrung und der Sinnlosigkeit verstärkt. Es lädt den Leser ein, die Zeit und ihre Wahrnehmung auf eine nicht-traditionelle Weise zu hinterfragen – als ein Spiel mit Wahrnehmung, Struktur und Bedeutung.
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