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Banalitäten aus dem Chinesischen

Von

Fliegen haben kurze Beine.
Eile ist des Witzes Weile.
Rote Himbeeren sind rot.
Das Ende ist der Anfang jeden Endes.
Der Anfang ist das Ende jeden Anfangs.
Banalität ist jeden Bürgers Zier.
Das Bürgertum ist aller Bürger Anfang.
Bürger haben kurze Fliegen.
Würze ist des Witzes Kürze.
Jede Frau hat eine Schürze.
Jeder Anfang hat sein Ende.
Die Welt ist voll von klugen Leuten.
Kluge ist dumm.
Nicht alles, was man Expressionismus nennt, ist Ausdruckskunst.
Kluge ist immer noch dumm.
Dumme ist klug.
Kluge bleibt dumm.

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Gedicht: Banalitäten aus dem Chinesischen von Kurt Schwitters

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Banalitäten aus dem Chinesischen“ von Kurt Schwitters spielt mit der Absurdität und Ironie von scheinbar banalen Aussagen, die oft gegensätzliche oder paradoxale Wahrheiten in sich tragen. Die ersten Zeilen, wie „Fliegen haben kurze Beine“ und „Eile ist des Witzes Weile“, werfen eine schlichte, fast unsinnige Aussage auf, die jedoch den Leser anregt, über die Bedeutung oder den tieferen Sinn hinter den Worten nachzudenken. Diese scheinbar willkürlichen Behauptungen setzen sich mit der Absurdität alltäglicher Beobachtungen auseinander, die in ihrer Einfalt dennoch eine Art von tiefer Wahrheit oder Weisheit implizieren können.

Der Abschnitt, in dem Schwitters wiederholt formuliert, dass „das Ende der Anfang jedes Endes“ und „der Anfang das Ende jedes Anfangs“ sei, greift das Konzept von Zyklen und Wiederholungen auf. Diese Aussagen mögen banal erscheinen, stellen jedoch grundlegende philosophische Ideen über Zeit und Existenz infrage. Sie spiegeln eine Perspektive wider, dass jeder Beginn auch ein Ende mit sich bringt und jeder Abschluss einen neuen Anfang möglich macht. Dies wird durch die wiederholte Verwendung dieser Formeln verstärkt, die den Eindruck einer endlosen Schleife erzeugen.

Schwitters nutzt weiterhin das Konzept der „Banalität“, um eine Kritik am bürgerlichen Denken und den Konventionen der Gesellschaft zu äußern. Die Zeilen „Banalität ist jeden Bürgers Zier“ und „Das Bürgertum ist aller Bürger Anfang“ nehmen das bürgerliche Leben auf die Schippe, indem sie es als etwas Oberflächliches und sich ständig wiederholendes darstellen. In der surrealen Form der Wiederholungen und der ironischen Umkehrungen fordert Schwitters das etablierte Weltbild heraus und spiegelt dabei die Unsinnigkeit und Beliebigkeit vieler gesellschaftlicher Normen wider.

Ein weiteres starkes Element des Gedichts ist die Auseinandersetzung mit Intellekt und Wissen. Die Zeilen „Die Welt ist voll von klugen Leuten. / Kluge ist dumm. / Nicht alles, was man Expressionismus nennt, ist Ausdruckskunst“ werfen einen sarkastischen Blick auf die vermeintliche Intelligenz und das oft selbstgerechte Verhalten der „Kluge[n]“, die in ihrer Überzeugung von Wissen in Wirklichkeit oftmals „dumm“ sind. Schwitters hinterfragt die Autorität des Wissens und deckt auf, wie scheinbar kluge Menschen in ihrer Starrheit und ihrem Dogmatismus gerade die Flexibilität und Offenheit verlieren, die wahre Weisheit ausmacht.

Insgesamt zeigt Schwitters in diesem Gedicht eine meisterhafte Beherrschung der paradoxen Form und setzt diese ein, um die Wahrnehmung des Lesers zu hinterfragen. Mit scheinbar banalen, aber tiefgründigen Aussagen deckt er die Absurdität des Alltags und der gesellschaftlichen Normen auf und lässt den Leser über die Relativität von Wissen, Wahrheit und Bedeutung nachdenken.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.