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An Anna Blume

Von

Oh Du, Geliebte meiner 27 Sinne, ich liebe Dir!
Du, Deiner; Dich Dir, ich Dir, Du mir, – – – – wir?
Das gehört beiläufig nicht hierher!

Wer bist Du , ungezähltes Frauenzimmer, Du bist, bist Du?
Die Leute sagen, Du wärest.
Lass sie sagen, sie wissen nicht, wie der Kirchturm steht.

Du trägst den Hut auf Deinen Füßen und wanderst auf die Hände,
auf den Händen wanderst Du.

Halloh, Deine roten Kleider, in weiße Falten zersägt,
Rot liebe ich Anna Blume, rot liebe ich Dir.
Du, Deiner; Dich Dir, ich Dir, Du mir, – – – – wir?
Das gehört beiläufig in die kalte Glut!
Anna Blume, rote Anna Blume, wie sagen die Leute?

Preisfrage:

1.) Anna Blume hat ein Vogel,
2.) Anna Blume ist rot.
3.) Welche Farbe hat der Vogel.

Blau ist die Farbe Deines gelben Haares,
Rot ist die Farbe Deines grünen Vogels.
Du schlichtes Mädchen im Alltagskleid,
Du liebes grünes Tier, ich liebe Dir!
Du, Deiner; Dich Dir, ich Dir, Du mir, – – – – wir?
Das gehört beiläufig in die – – – Glutenkiste.

Anna Blume, Anna, A – – – – N – – – -N- – – – -A!
Ich träufle Deinen Namen.
Dein Name tropft wie weiches Rindertalg.
Weißt Du es Anna, weißt Du es schon,
Man kann Dich auch von hinten lesen.
Und Du, Du Herrlichste von allen,
Du bist von hinten und von vorne:
A – – – – – – N – – – – – N – – – – – -A.
Rindertalg träufelt STREICHELN über meinen Rücken.
Anna Blume,
Du tropfes Tier,
Ich – – – – – – – liebe – – – – – – – Dir!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An Anna Blume von Kurt Schwitters

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Anna Blume“ von Kurt Schwitters ist ein Paradebeispiel für den Dadaismus, eine Kunstrichtung, die sich nach dem Ersten Weltkrieg gegen traditionelle ästhetische und sprachliche Ordnungen stellte. Das Gedicht inszeniert eine absurde, sprachspielerische Liebeserklärung, die durch bewusst gebrochene Syntax, widersprüchliche Bilder und ironische Übertreibungen gekennzeichnet ist. Es verweigert sich einer logischen Struktur und stellt die Konventionen romantischer Lyrik auf den Kopf.

Zentral ist die dekonstruktive Sprachbehandlung: Sätze wie „Ich liebe Dir“ oder „Du, Deiner; Dich Dir, ich Dir, Du mir“ wirken wie grammatikalische Irritationen, die den Liebesgestus ins Groteske überführen. Das Spiel mit der Sprache, die Wiederholung und das scheinbar sinnlose Aneinanderreihen von Personalpronomen betonen nicht nur den klanglichen Aspekt des Gedichts, sondern auch seine ironische Distanz zum Inhalt. Die Liebeserklärung wird so zum Lautexperiment, zur Parodie konventioneller Poesie.

Die Figur „Anna Blume“ wird auf widersprüchliche Weise beschrieben: Sie trägt den Hut auf den Füßen und geht auf den Händen – sie wird damit zu einem surrealen, phantastischen Wesen. Farben werden vertauscht („Blau ist die Farbe Deines gelben Haares“), logische Zusammenhänge aufgelöst. Das Motiv der Liebe erscheint in diesem Kontext nicht als innige, emotionale Verbindung, sondern als absurde Obsession, als Überschuss an Gefühl, der sich in sprachlichem Nonsens entlädt.

Am Ende steigert sich das Spiel mit Identität, Körperlichkeit und Lauten ins Formlose: Der Name „Anna“ wird als Palindrom hervorgehoben und zum sinnlichen Klangobjekt, das „träufelt“ und „tropft“. Diese Vermischung von Körper, Sprache und Gefühl in surrealen Bildern („Rindertalg träufelt STREICHELN über meinen Rücken“) führt zu einer Auflösung des Subjekts im Sprachspiel. Die Liebe ist hier kein klar definierter Zustand, sondern ein rauschhafter Akt des Sprechens und Empfindens, losgelöst von logischer Fassung.

„An Anna Blume“ ist somit keine traditionelle Liebeslyrik, sondern eine dadaistische Verfremdung derselben. Es ist ein poetisches Sprachlabyrinth, das Sinn und Unsinn gleichwertig nebeneinanderstellt und so auf die Unzulänglichkeit der Sprache verweist, innere Zustände eindeutig auszudrücken.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.