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Künstlerleben

Von

Erhabner, seliger Beruf,
Zu dem der Geist, der Alles schuf,
Mich vor der Zeit und Ewigkeit
Als seinen Priester eingeweiht!

Ein Tempel, wo der Künstler lebt,
Wo rings um ihn die Gottheit webt,
Die er, wohin sein Fuß auch dringt,
In ihrer Fülle mit sich bringt!

Sie nahm ihn früh auf ihren Schooß,
Sie herzte ihn, sie zog ihn groß,
Und, wo er geht und wo er steht,
Ihr Lebensathem ihn umweht.

Wie lächelt ihm die grüne Flur,
Er liest im Sanskrit der Natur;
Wohin er fällt, sein Schöpferblick,
Entströmt ihm Leben, Freud′ und Glück.

Wenn Abends er zur Zelle flieht,
Mit ihm hinein die Göttin zieht,
Es kommt der sanfte Mondenschein,
Zum Heiligthum den Ort zu weihn.

Der Jüngling sinkt aufs Lager hin,
Und hoch und höher strebt sein Sinn,
Ihm öffnet sich das Himmelsthor,
Im Traume steigt sein Geist empor.

Wer naht sich ihm im milden Glanz,
Bringt Lorbeer ihm und Myrthenkranz?
Das Ideal, das ihn umschwebt,
Hat es ein Gott für ihn belebt?

»Willkommen auf der Erde hier!
Bist willkomm′ und gesegnet mir!
Nimm Altar gleich und Tempel ein,
Füll′ ihn mit deinem Heil′genschein.«

O Liebe, Liebe, Dämmerung
Von schönerer Verherrlichung,
Des goldnen Tages Morgenroth,
Dein Friedensherold ist der Tod.

Von dir erquickt, von dir gelabt,
Mit einem höhern Sinn begabt,
Von deinem Leben angehaucht,
Dem Wonnemeer der Geist enttaucht.

O nimm mich traulich in den Arm,
Hier ist es still, hier ist es warm.
Da draußen ist′s so kalt und rauh.
Hier Mondenschein, dort Nebelgrau!

Umfächle stets mich Himmelsluft,
Verweh′ nicht Paradiesesduft –
Mit Leib und Seele ganz und gar
Weih′ ich mich deinem Hochaltar.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Künstlerleben von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Künstlerleben“ von Max von Schenkendorf feiert in ergreifender Weise das Ideal des Künstlerdaseins als eine heilige, von göttlicher Gnade durchwirkte Existenz. Schon die eröffnenden Verse etablieren den Künstler als Priester, der von der Schöpferkraft selbst auserwählt wurde, was dem Gedicht eine tiefe spirituelle Dimension verleiht. Der Künstler wird in diesem Kontext als eine Person gesehen, die in enger Verbindung zur Natur und zum Göttlichen steht, und dessen Lebensweg von Schönheit, Freude und Inspiration geprägt ist.

Der Mittelteil des Gedichts entfaltet die Idylle des Künstlerlebens in all ihren Facetten. Der Künstler genießt die Schönheit der Natur, die er wie eine heilige Schrift liest, und findet in ihr unerschöpfliche Quellen der Inspiration. Die Göttin, als Verkörperung des Idealbildes, begleitet ihn stets und offenbart sich ihm sowohl in der Welt als auch in seinen Träumen. Die sanfte Atmosphäre des Mondenscheins verstärkt die mystische Stimmung und deutet auf die besondere Beziehung des Künstlers zur übernatürlichen Welt hin.

Der Höhepunkt des Gedichts ist die Begegnung mit dem Ideal, das mit den Worten „Willkommen auf der Erde hier!“ den Künstler willkommen heißt und ihn auffordert, seinen Altar und Tempel zu füllen. Diese Zeilen sind ein Ausdruck der Wertschätzung der Kunst und des Künstlers sowie des Bewusstseins, dass Kunst eine Form der Erschaffung von Schönheit und Bedeutung ist. Die Verwendung von religiösen Bildern verstärkt die sakrale Dimension des Künstlerberufs und unterstreicht die Hingabe des Künstlers an sein Schaffen.

Das Gedicht endet mit einer ergreifenden Ode an die Liebe und den Tod. Der Tod wird hier als Friedensherold dargestellt, der den Künstler in eine Welt der Stille, Wärme und des ewigen Friedens führt. Der Künstler sehnt sich nach der Vereinigung mit dem Göttlichen und sieht im Tod die endgültige Erfüllung seines Lebens. Die letzten Strophen sind ein Bekenntnis zur Hingabe an das Kunstschaffen, die durch die Vereinigung von Leib und Seele in den Dienst des Göttlichen erbracht wird. Es wird deutlich, dass das Künstlerdasein als eine Möglichkeit gesehen wird, die Wahrheit und Schönheit der Welt in ihrer Gesamtheit zu erfassen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.