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Königsberg′sche Wehrlieder – 1. Lied der Maurer

Von

1813.

Mit drei gewaltigen Schlägen
Rief uns der Meister auf:
Herbei von allen Wegen,
Gesellen kommt zu Hauf!

Was hilft uns alles bauen?
Wir bau′n am Sitz der Noth.
Was Steine zu behauen
Nach Winkelmaß und Loth?

Vom Roste wird gefressen
Die Mauer wie der Muth,
Von Räubern wird besessen
Der Bürger Haus und Gut.

Wie prangt im Königsgarten
Der Bau von Meisterhand!
Man konnte kaum erwarten,
Bis er vollendet stand.

Nun magst du einsam stehen,
O schönes Schauspielhaus –
Das Schauspiel, das wir sehen,
Treibt alle Lust hinaus.

Nun aus den Aschenhaufen
Die Vorstadt schnell erstand.
Spricht man von Feuertaufen,
Von Moskau′s Wunderbrand.

Es stehn mit leeren Räumen
Die Speicher unbesucht,
Die freien Schiffer säumen,
Der Feind verdarb die Frucht.

Als an des Schlosses Thoren
Wir jüngst den Bau gefügt,
Da klang in unsern Ohren
Ein Ton, der schwerlich trügt.

Er sprach von ew′gen Rechten,
Vom höchsten Eigenthum,
Und wie man soll verfechten
Der Väter Schatz und Ruhm.

Die Rittergeister haben
Dich herrlich eingeweiht
Mit wunderbaren Gaben,
Haus der Gerechtigkeit.

Da sahen wir dich stehen,
Du starker kluger Rath,
Man konnte deutlich sehen,
Du sannst auf kühne That.

Herr willkommen,
Willkommen Rath und Held,
Die Waffen sind genommen,
Zeuch′ mit ins blut′ge Feld.

Zeuch′ mit zum deutschen Rheine,
Komm nach Westphalens Gau′n,
Da sind viel rauhe Steine,
Viel glatte zu behau′n.

Da wird aus Blut und Schmerzen
Das rechte Heil erst kund;
Gefall′ner Helden Herzen
Sind wol ein fester Grund.

Da wollen wir begründen
Das deutsche Freiheitshaus,
Ein Mörtel soll es binden,
Der tausend Jahr′ hält aus.

Der Mörtel heißet Wille,
Heißt Treu und heißet Muth,
Gereift in heil′ger Stille,
Benetzt mit Heldenblut.

Der Mörtel sind wir Alle,
Uns wählte Gottes Gunst;
So grüßt im heil′gen Schalle
Der Maurer freie Kunst!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Königsberg′sche Wehrlieder - 1. Lied der Maurer von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „1. Lied der Maurer“ von Max von Schenkendorf ist ein flammender Aufruf zur Einheit und zum Kampf für die deutsche Nation im Jahr 1813, zur Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon. Es nutzt die Metapher des Bauens, um die Idee einer neuen deutschen Nation, gegründet auf Freiheit und Ehre, zu vermitteln. Der Dichter wendet sich an die „Gesellen“ – die Maurer, die hier stellvertretend für alle deutschen Bürger stehen.

Der erste Teil des Gedichts beschreibt die allgemeine Misere und den Verfall der Gesellschaft, verursacht durch Krieg und Unterdrückung. Die „Mauer“ (Deutschland) wird vom „Rost“ (Feind) zerfressen, und die Bürger sind ihrer Rechte beraubt. Die Schönheit vergangener Zeiten, symbolisiert durch das „schöne Schauspielhaus“ und den „Königsgarten“, verblasst angesichts der aktuellen Not. Die Erwähnung des Brandes von Moskau deutet auf die gewaltigen Verluste und die Zerstörung des Krieges hin, die das Volk erlebt. Diese Bilder dienen dazu, die Dringlichkeit der Situation zu unterstreichen und die Notwendigkeit einer Veränderung zu verdeutlichen.

Im zweiten Teil des Gedichts, das sich dem Appell anschließt, wandelt sich die Stimmung. Der Dichter erinnert an die „ew′gen Rechten“ und den „Väter Schatz und Ruhm“, was die Werte und Traditionen hervorhebt, für die es sich zu kämpfen lohnt. Die Maurer werden durch die „Rittergeister“ in die heilige Aufgabe eingeweiht, ein „Haus der Gerechtigkeit“ zu errichten. Der „Rat“ und der „Held“ – möglicherweise eine Anspielung auf eine Führungsfigur oder die Gemeinschaft selbst – werden willkommen geheißen und zum Kampf aufgerufen. Der Aufruf, zum „deutschen Rheine“ und nach Westfalen zu ziehen, zeigt die geografische Ausrichtung des Kampfes und die Absicht, ganz Deutschland zu befreien.

Der zentrale Gedanke des Gedichts ist die Gründung einer neuen Nation, die auf den „gefall′ner Helden Herzen“ gebaut werden soll. Der „Mörtel“ für dieses neue „deutsche Freiheitshaus“ besteht aus „Wille, Treu und Muth“, die durch „Heldenblut“ veredelt werden. Die Maurer, stellvertretend für das gesamte Volk, werden als diejenigen betrachtet, die durch ihre „heil′ge Kunst“ und ihre Einigkeit dieses neue Deutschland errichten können. Die Schlusspassage mit dem „heil′gen Schalle“ der Maurer, die Gottes Gnade erfahren, unterstreicht die Erhabenheit und den göttlichen Auftrag dieser nationalen Erhebung. Das Gedicht ist somit eine Ode an den Patriotismus, an die Einheit und an den Glauben an eine bessere Zukunft für Deutschland, die durch Opfer und heldenhaften Kampf erreicht werden soll.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.