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Prolog

Von

Ich sitze hier am Schreibtisch
Und schreibe ein Gedichte,
Indem ich in die Tinte wisch
Und mein Gebet verrichte.

So giebt sich spiegelnd Vers an Vers
In ölgemuter Glätte.
Nur selten fragt man sich: Wie wärs,
Wenn es mehr Seele hätte?

Die Seele tut mir garnicht weh,
Sie ist ganz unbeteiligt.
Nackt liegt sie auf dem Kanapee
Und durch sich selbst geheiligt.

Des Abends geh ich mit ihr aus,
Im Knopfloch eine Dalie.
Ich selber heiße Stanislaus,
Sie aber heißt Amalie.

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Gedicht: Prolog von Klabund

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Prolog“ von Klabund ist eine selbstironische Reflexion über das Dichten, die Rolle des Dichters und das Verhältnis zur eigenen „Seele“. In leichter, fast spöttischer Tonlage hinterfragt der Text die Echtheit lyrischer Produktion und spielt mit der Trennung von äußerem Gestus und innerem Gehalt. Klabund entlarvt das Schreiben als teils mechanischen, ritualisierten Akt – zugleich inszeniert er diesen Zweifel mit Witz und Charme.

Die erste Strophe beschreibt das Schreiben als beinahe beiläufigen Vorgang: Das Gedicht entsteht beim „in die Tinte wischen“ – eine Formulierung, die das kreative Schaffen entzaubert und ins Banale überführt. Gleichzeitig wird es mit dem „Gebet“ verglichen, was die Kluft zwischen scheinbarer Tiefe und tatsächlicher Oberflächlichkeit verdeutlicht. In der zweiten Strophe folgt eine nüchterne Selbstdiagnose: Die Verse reihen sich „in ölgemuter Glätte“ aneinander, doch es fehle ihnen „Seele“. Dieser Mangel wird nicht dramatisiert, sondern mit resignierter Gelassenheit registriert.

Die dritte Strophe führt die ironische Distanz zum Inneren weiter: Die Seele ist „ganz unbeteiligt“ und liegt „nackt […] auf dem Kanapee“. In diesem Bild verschmilzt sie mit einer museartigen Figur – faul, passiv, aber dennoch „durch sich selbst geheiligt“. Der Begriff der Heilung oder Heiligung wird hier sarkastisch aufgeladen: Die Seele ist kein Antrieb des dichterischen Tuns, sondern eine dekorative, fast luxuriöse Begleiterscheinung.

Die letzte Strophe verwandelt das abstrakte Verhältnis zur Seele in eine konkrete, fast burleske Szene: Der Sprecher „geht mit ihr aus“, sie trägt den Namen Amalie, er nennt sich Stanislaus – beide mutieren zu Figuren eines kleinen komischen Spiels. Das Gedicht endet damit in einer Art surrealem, poetischem Rollenspiel, das die Vorstellung von Inspiration, Innerlichkeit und künstlerischer Tiefe ironisch karikiert.

„Prolog“ ist damit nicht nur ein augenzwinkernder Einstieg in ein dichterisches Werk, sondern auch eine poetische Selbstbefragung. Klabund zeigt sich als jemand, der über das Dichten schreibt, ohne sich selbst allzu ernst zu nehmen – und gerade dadurch eine besondere Form von Authentizität erzeugt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.