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Heimliches Lieben
O du, wenn deine Lippen mich berühren,
Dann will die Lust die Seele mir entführen.
Ich fühle tief ein namenloses Beben
Den Busen heben.
Mein Auge flammt,
Glut schwebt auf meinen Wangen;
Es schlägt mein Herz
Ein unbekannt Verlangen;
Mein Geist, verirrt
In trunkner Lippen Stammeln
Kann kaum sich sammeln.
Mein Leben hängt in einer solchen Stunde
An deinem süßen, rosenweichen Munde,
Und will, bei deinem trauten Armumfassen,
Mich fast verlassen.
O! daß es doch nicht außer
Sich kann fliehen
Die Seele ganz in deiner Seele glühen!
Daß doch die Lippen,
Die voll Sehnsucht brennen,
Sich müssen trennen!
Daß doch im Kuß
Mein Wesen nicht zerfließet
Wenn es so fest an deinen Mund
Sich schließet,
Und an dein Herz,
Das niemals laut darf wagen
Für mich zu schlagen!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Heimliches Lieben“ von Karoline Louise von Klenke thematisiert eine leidenschaftliche, zugleich schmerzlich zurückgehaltene Liebe, die von Sehnsucht, Verlangen und der Begrenztheit geheimer Zuneigung geprägt ist. In eindringlich sinnlicher Sprache beschreibt das lyrische Ich die Wirkung eines Kusses – als ekstatisches Erlebnis, das Körper, Geist und Seele erfasst, aber nie vollständig erfüllt. Die Liebe bleibt heimlich, unerfüllt in ihrer Ganzheit, und gerade darin liegt der bittersüße Reiz des Gedichts.
Der Kuss wird als Moment völliger Hingabe beschrieben, als Augenblick, in dem das Ich sich selbst zu verlieren droht: „Dann will die Lust die Seele mir entführen“. Es entsteht ein fast körperloser Zustand der Entrückung, in dem Geist und Gefühl in einem „namenlosen Beben“ verschmelzen. Diese übersteigerte Sinneswahrnehmung zeigt sich in der Bildsprache: Flammen in den Augen, Glut auf den Wangen, Herzklopfen und ein „unbekannt Verlangen“. Doch so stark diese Empfindungen sind, bleibt das Erleben dennoch fragmentarisch – es fehlt die endgültige Verschmelzung.
Besonders deutlich wird die Spannung zwischen Begehren und Begrenzung in den letzten beiden Strophen. Die Seele kann sich nicht vollständig in der des Geliebten auflösen, die Lippen, „die voll Sehnsucht brennen“, müssen sich wieder trennen. Der Moment des Kusses bleibt flüchtig, das Verlangen unerfüllt. Die Zeile „Und an dein Herz, / Das niemals laut darf wagen / Für mich zu schlagen!“ verweist auf die verbotene oder gesellschaftlich nicht erlaubte Natur der Liebe. Das Gefühl ist stark, aber es darf nicht offen existieren – das Liebesverhältnis muss verborgen bleiben.
Damit verbindet sich das Motiv der heimlichen Liebe mit dem Schmerz der Einschränkung. Die Intensität des Augenblicks ist gerade deshalb so groß, weil er so vergänglich und bedroht ist. Das Gedicht bewegt sich zwischen Erfüllung und Entzug, zwischen ekstatischem Verschmelzungswunsch und dem schmerzlichen Wissen um die Unmöglichkeit dieser völligen Vereinigung.
„Heimliches Lieben“ ist ein Ausdruck romantischer Leidenschaft, zugleich aber auch ein leiser Protest gegen die Einschränkungen, die gesellschaftliche Normen der Liebe auferlegen. Karoline Louise von Klenke verleiht darin besonders dem weiblichen Erleben von Sehnsucht und innerer Spannung eine intensive, poetische Stimme.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.