Stille Tränen
Du bist vom Schlaf erstanden
Und wandelst durch die Au.
Da liegt ob allen Landen
Der Himmel wunderblau.
Solang du ohne Sorgen
Geschlummert schmerzenlos,
Der Himmel bis zum Morgen
Viel Tränen niedergoss.
In stillen Nächten weinet
Oft mancher aus den Schmerz,
Und morgens dann ihr meinet,
Stets fröhlich sei sein Herz.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Stille Tränen“ von Justinus Kerner setzt sich mit den stillen und oft verborgenen Emotionen auseinander, die im Leben eines Menschen eine Rolle spielen. Zu Beginn beschreibt das Gedicht eine Person, die nach dem Schlaf „erstanden“ ist und in einer friedlichen Landschaft wandelt, wo der „Himmel wunderblau“ ist. Dieser friedliche, fast idyllische Beginn stellt die äußere Ruhe und Schönheit der Welt dar, die jedoch nicht unbedingt die innere Welt des lyrischen Ichs widerspiegelt.
Die zweite Strophe offenbart, dass trotz des friedlichen Morgens und des heilen Aussehens der Natur die Nacht von „Tränen“ begleitet wurde. Der Hinweis auf „viel Tränen“, die „niedergossen“ wurden, spricht von der emotionalen Last, die nachts in der Stille des Schlafes und der Dunkelheit erfahren wird. Während der Schlaf als eine Zeit des Ausruhens und der Ruhe dargestellt wird, ist er gleichzeitig auch eine Zeit, in der die tiefsten Sorgen und Schmerzen verborgen werden, die der Tag nicht immer zulässt.
In der letzten Strophe wird das Bild des „Weinens“ in der Nacht fortgeführt. Die „stillen Tränen“ stehen für den Schmerz und die Traurigkeit, die oft in den nächtlichen Stunden erfahren werden, wenn die Welt schweigt und der Mensch alleine mit seinen Gefühlen ist. Am Morgen jedoch scheint der äußere Blick wieder unbeschwert, und es wird erwartet, dass derjenige, der geweint hat, mit einem fröhlichen Herz den Tag beginnt. Dies weist auf die Diskrepanz zwischen äußerem Schein und innerem Empfinden hin.
Das Gedicht spricht somit die verborgene, oft nicht sichtbare Seite der menschlichen Erfahrung an – den Schmerz, der in der Stille der Nacht leidet, und die Erwartungen der Gesellschaft oder des Umfeldes, dass man diesen Schmerz am Morgen abgelegt hat. Es zeigt auf, dass innere Kämpfe und Tränen oft unsichtbar sind, während die äußere Welt mit einem fröhlichen Schein fortfährt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.