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Junggesellentod

Von

Der unbeweibte Ritter liegt
Im Sterbepfühl voll Gram,
Kein Weib sich weinend an ihn schmiegt,
Kein Sohn um Segen kam.

Im Vorgemach der Mägde Schaar
Flicht mit Gesang den Kranz,
Zu schmücken seine Todtenbahr’
Mit reiner Lilien Glanz.

Da faßt den Ritter herbes Weh:
»O daß ich hier allein,
Der letzte meines Stamms, vergeh’
Und sink’ ins Nichts hinein!

Es sproßt der Baum, vermodert schon,
In Sam’ und Wurzeln fort!
Die flücht’ge Wolke ist der Sohn
Des Stroms, im Sand verdorrt!«

Da reicht der Schloßkaplan zum Kuß
Ein Demantkreuz ihm dar:
»Dieß Kreuz schickt Hedwig euch zum Gruß,
Die meine Mutter war.«

»Und wenn dir Hedwig Mutter heißt,
Nenn’ ich lieb Söhnlein dich!
Es senke tief in deinen Geist
Der Segen Gottes sich!

Dieß Schloß mit Burgkapell’ und Wart’,
Als Erbtheil fall’s dir zu:
Nicht mit Gebet und Mess’ gespart
Für meiner Seele Ruh’!«

Ein Röslein von Rubinen rein
Beut ihm des Gärtners Hand:
»Frau Adelheid, mein Mütterlein,
Entsendet euch dieß Pfand!«

»Ist Adelheid dein Mütterlein,
Mir an die Brust, mein Kind!
Ins Herz und auf die Blumen dein
Fleuß’ Gottes Segen lind!

Dir schenk’ ich Garten, Wies’ und Hain
Und dort das Winzerhaus;
Du sorgst wohl, daß auf meinem Stein
Nie gehn die Blumen aus.«

Es trat sein Page drauf vor ihn
Mit einem Ring von Gold:
»Dieß schickt euch Mutter Melusin’,
Ob ihr’s erkennen wollt?«

»O Melusinens Sohn, sei mir
Mein liebstes Kind genannt!
Gott’s Segen stähle für und für
Dir Brust und Mark und Hand!

Das schönste Rößlein, das mich trug,
Mein bestes Schwert sei dein:
Das trägt noch meinen Namenszug,
Führ’s würdig dein und mein.«

Da rauschen Tritte vor dem Schloß,
Da hört er Kinderschrei:
»O Gott, dein Segen ist zu groß!«
Da bricht sein Herz entzwei.

Dem Glockenklang, dem Sarge nach
Viel Volk man wallen sah,
Des Ritters Wappenschild zerbrach
Des Kaisers Herold da.

Am Sarg der Junggesellenkranz,
Bevor er sinkt zur Gruft,
Grüßt in gar wunderseltnem Glanz
Noch Berg und Thal und Luft.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Junggesellentod von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Junggesellentod“ von Anastasius Grün ist eine melancholische Ballade, die das Schicksal eines kinderlosen Ritters thematisiert, der auf dem Sterbebett liegt und sein Erbe verteilt. Das Gedicht beschreibt eindrücklich die Verzweiflung des Ritters über sein kinderloses Dasein und seinen unbesiegeltem Junggesellenstand, verbunden mit der Erkenntnis seines nahenden Todes und dem Aussterben seines Geschlechts. Der Kontrast zwischen dem Wunsch nach Nachkommen und dem Mangel daran, sowie die Abschiedsgesten derer, die er als seine Kinder adoptiert, schaffen eine tiefgreifende Tragik.

Die ersten Strophen etablieren die Szenerie: Der Ritter, vom Gram gepeinigt, liegt im Sterben, ohne dass eine Frau an seiner Seite weint oder ein Sohn seinen Segen erbittet. Die Mägde bereiten den Sarg vor und flechten einen Kranz. Diese Szene symbolisiert das Fehlen von Familie und das bevorstehende Ende des Ritters. Seine Klage drückt die Trauer über sein unvollendetes Leben und das Aussterben seines Geschlechts aus. Er vergleicht sein Schicksal mit der Natur, wo Bäume verrotten und Flüsse im Sand versickern, wodurch die Vergänglichkeit des Lebens hervorgehoben wird.

Im weiteren Verlauf des Gedichts erhält der Ritter Besuch von verschiedenen Personen, die er als „Kinder“ adoptiert und mit seinem Erbe bedenkt. Dazu gehören der Schloßkaplan, der ihm ein Kruzifix von seiner „Mutter“ Hedwig überbringt; der Gärtner, der ihm ein Rosen aus Rubinen von seiner „Mutter“ Adelheid gibt; und der Page, der einen Ring von seiner „Mutter“ Melusine überreicht. Durch diese symbolischen Gesten der Anerkennung und Zuwendung wird der Wunsch des Ritters nach familialer Bindung widergespiegelt, der im Sterben noch versucht, sein Vermächtnis zu sichern und zu erweitern.

Das Ende des Gedichts ist von einer tiefen Tragik geprägt. Der Ritter, überwältigt von der Größe des Segens und der Zuwendung, die ihm zuteil wird, bricht unter Kinderschreien zusammen und stirbt. Die abschließenden Bilder des Trauerzugs und der Zeremonie, bei der der Wappenschild des Ritters zerbricht, verdeutlichen endgültig sein Ende. Die Ballade schließt mit dem wunderseltsamen Glanz des Junggesellenkranzes, der noch einmal die Schönheit und Vergänglichkeit des Lebens betont. Das Gedicht ist eine Reflexion über die Bedeutung von Familie, Erbe und die Akzeptanz des Todes.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.