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Zwielicht

Von

Dämmrung will die Flügel spreiten,
Schaurig rühren sich die Bäume,
Wolken ziehn wie schwere Träume –
Was will dieses Graun bedeuten?

Hast ein Reh du, lieb vor andern,
Laß es nicht alleine grasen,
Jäger ziehn im Wald und blasen,
Stimmen hin und wieder wandern.

Hast du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieser Stunde,
Freundlich wohl mit Aug und Munde,
Sinnt er Krieg im tück’schen Frieden.

Was heut müde gehet unter,
Hebt sich morgen neugeboren.
Manches bleibt in Nacht verloren –
Hüte dich, bleib wach und munter!

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Gedicht: Zwielicht von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Zwielicht“ von Joseph von Eichendorff thematisiert die unheimliche und trügerische Atmosphäre der Dämmerung als Sinnbild für Unsicherheit und Gefahr. Die einleitenden Naturbilder – das Aufziehen der Dämmerung, sich bewegende Bäume und schwere Wolken – erzeugen eine unheilvolle Stimmung, die auf ein drohendes Unheil hinzudeuten scheint. Die Frage „Was will dieses Graun bedeuten?“ verstärkt die Unsicherheit des lyrischen Ichs.

Im zweiten und dritten Versabschnitt wird diese Bedrohung auf konkrete Gefahren übertragen. Das Reh, das für eine geliebte Person stehen könnte, ist der Gefahr der Jäger ausgesetzt, ebenso wie Freundschaften in dieser unbeständigen Stunde trügen können. Die Mahnung, einem Freund nicht zu vertrauen, verweist auf die potenzielle Doppelzüngigkeit der Menschen, besonders in Zeiten von Unsicherheit und Wandel. Der „tück’sche Frieden“ deutet auf eine verborgene Feindseligkeit hin, die hinter scheinbarer Harmonie lauert.

Der letzte Versabschnitt schließt mit einer Mischung aus Vergänglichkeit und Erneuerung: Was heute vergeht, kann morgen in neuer Gestalt wiederkehren, doch manches bleibt für immer verloren. Die abschließende Mahnung „Hüte dich, bleib wach und munter!“ unterstreicht die Grundstimmung des Gedichts: eine Warnung vor Naivität und zu großem Vertrauen in trügerischen Zeiten. Eichendorff verbindet hier romantische Naturbilder mit existenziellen Ängsten und misstrauischen Untertönen, die eine düstere, fast unheilvolle Lebensweisheit vermitteln.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.