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Sehnsucht

Von

Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. –

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Gedicht: Sehnsucht von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sehnsucht“ von Joseph von Eichendorff thematisiert die romantische Vorstellung von Fernweh und der unerfüllten Lust auf das Reisen. Das lyrische Ich steht einsam am Fenster und blickt in die Nacht hinaus, während in der Ferne das Geräusch eines Posthorns erklingt. Diese Szene weckt in ihm den brennenden Wunsch, aufzubrechen und Teil einer unbestimmten, verheißungsvollen Welt zu sein. Die „prächtige Sommernacht“ wird dabei zum Symbol für eine unerreichbare Schönheit und Freiheit.

Die zweite Strophe führt das Motiv der Sehnsucht weiter aus, indem zwei Wanderer erscheinen, die singend vorbeiziehen. Ihr Lied schildert eine Landschaft voller Naturgewalten – Felsenschluchten, rauschende Wälder und stürzende Quellen. Diese Bilder erzeugen eine dynamische, fast mythische Atmosphäre, die den Gegensatz zur reglosen Einsamkeit des lyrischen Ichs verstärkt. Die Wanderer verkörpern jene Freiheit, nach der es sich sehnt, aber nicht selbst ergreifen kann.

In der dritten Strophe nimmt die Beschreibung einen märchenhaften Charakter an. Die Wanderer singen von geheimnisvollen Orten – Marmorstatuen, verwilderten Gärten und Palästen im Mondschein. Besonders das Bild der lauschenden Mädchen und des sanften Lautenspiels verstärkt die romantische Idealvorstellung einer entrückten, fast unwirklichen Welt. Diese unerreichbare Schönheit bleibt für das lyrische Ich jedoch nur ein Traum. Das Gedicht endet, ohne dass das Ich selbst aufbricht, wodurch seine Sehnsucht nach einer anderen, unbekannten Welt umso spürbarer wird.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.