Gedenk
Es ist kein Vöglein so gemein,
Es spürt geheime Schauer,
Wenn draußen streift der Sonnenschein
Vergoldend seinen Bauer.
Und du hast es vergessen fast
In deines Kerkers Spangen,
O Menschlein, daß du Flügel hast
Und daß du hier gefangen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Gedenk“ von Joseph von Eichendorff spricht von der Sehnsucht nach Freiheit und der inneren Verbundenheit mit der Natur, die der Mensch oft vergisst, wenn er in seiner irdischen Existenz gefangen ist. Im ersten Vers wird das Bild eines „Vögleins“ verwendet, das, auch wenn es als „gemein“ bezeichnet wird, „geheime Schauer“ empfindet, wenn der „Sonnenschein“ auf die „Bauer“ fällt. Das Vöglein symbolisiert hier den natürlichen Instinkt und das empfindsame Wesen, das auch die kleinste Veränderung in seiner Umgebung wahrnimmt. Die „geheimen Schauer“ deuten auf die tiefe Verbindung des Vogels zur Welt um ihn herum hin, die im Einklang mit der Natur lebt.
Im zweiten Vers wird das lyrische Ich direkt angesprochen und erinnert den Menschen daran, dass er, wie der Vogel, ebenfalls „Flügel“ hat, die er jedoch in seinem „Kerkers“ vergisst. Dieser „Kerkers“ steht metaphorisch für die Begrenzungen und Einschränkungen des menschlichen Lebens, sei es durch gesellschaftliche Normen, persönliche Ängste oder eine unbewusste Selbstgeißelung. Die Erinnerung an die „Flügel“ verweist auf das menschliche Potenzial zu Freiheit und Entfaltung, das oft im Alltag und in den alltäglichen Sorgen verloren geht.
Das Gedicht fordert den Leser dazu auf, sich wieder seiner eigenen inneren Freiheit und Naturverbundenheit bewusst zu werden. Eichendorff verwendet das Bild des Vögleins, um eine tiefere Wahrheit über den Menschen zu vermitteln: Auch der Mensch hat eine Verbindung zur Natur und das Potenzial für eine größere Freiheit, die jedoch durch die eigenen „Spangen“ des Lebens eingeschränkt wird. Es ist eine Einladung, sich dieser spirituellen und natürlichen Freiheit wieder zu erinnern und sie zu suchen.
In Eichendorffs Gedicht wird eine starke, fast mystische Verbindung zwischen Mensch und Natur hergestellt. Die „Flügel“ symbolisieren nicht nur die Freiheit im physischen Sinn, sondern auch die geistige und spirituelle Freiheit, die der Mensch in seiner täglichen Existenz häufig übersehen kann. Das Gedicht ruft dazu auf, diese Freiheit zu erkennen und nicht zu vergessen, dass jeder Mensch das Potenzial hat, aus den „Spangen“ seines Lebens auszubrechen und zu einer höheren, freieren Existenz zu gelangen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.