Echte Liebe
Lau in der Nacht mag ich nimmer sein, –
Kalt oder brennend wie ein lohes Feuer!
O, Lust und Leiden sind nur farblos, klein,
Wo Liebe nicht ergriffen hat das Steuer!
Wer noch bei Sinnen, ist kein rechter Freier;
Wirf von dir ohne Zagen all was dein,
Der stirbt vor Liebe nicht, ein halbgetreuer,
Wer von der Liebe mehr verlangt als Pein.
Gleichwie ein Schiff, wenn sich die Wetter schwärzen,
an jähen Klippen treibt bei finstrer Nacht.
Auf weitem Meer der Wind‘ und Wogen Spiel,
So auf dem wüsten Meere meiner Schmerzen
Such ich, auf neue Leiden nur bedacht,
Im Hoffnungslosen meines Glückes Ziel.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Echte Liebe“ von Joseph von Eichendorff behandelt das leidenschaftliche und selbstaufopfernde Wesen der wahren Liebe. Im ersten Vers beschreibt der Sprecher seine Ablehnung eines Lebens, das weder die Intensität der Liebe noch ihre Herausforderungen kennt. Liebe wird als ein steuernder Faktor dargestellt, der das Leben formt und ihm Bedeutung verleiht. Die Begriffe „kalt“ und „brennend“ spiegeln die extremen Emotionen wider, die mit der Liebe einhergehen, und verweisen auf die Unvermeidbarkeit von Lust und Schmerz.
Im zweiten Vers wird ein idealisierter „Freier“ gezeichnet, der bereit ist, alles für die Liebe zu opfern. Der „halbgetreue“ Mensch, der Liebe nur in einer oberflächlichen Form sucht, ist im Gedicht ein falscher Liebender. Es geht um die Bereitschaft, sich ohne Zögern ganz der Liebe hinzugeben, selbst wenn dies bedeutet, zu leiden. Eichendorff verurteilt hier die Vorstellung von Liebe als bloße Freude und stellt sie als ein Gefühl dar, das tiefere, schmerzhaftere Elemente umfasst.
Die Metaphorik des Schiffes, das bei stürmischem Wetter auf dem offenen Meer treibt, verdeutlicht die Zerrissenheit des lyrischen Ichs. Es ist ein Bild für die Einsamkeit und das Schicksal des Liebenden, der, von seiner Leidenschaft getrieben, ohne klaren Kurs durch das „Meer“ seiner eigenen Qualen segelt. Das „Hoffnungslos“ wird zum „Ziel“ des Liebenden, was darauf hinweist, dass er die ersehnten Schmerzen und das Leiden als Teil seines Strebens nach echter Liebe akzeptiert.
Das Gedicht zeigt eine romantische Vorstellung von Liebe als einem idealisierten, aber auch zerstörerischen Gefühl, das den Liebenden nicht nur erfüllt, sondern auch in eine existentielle Krise stürzt. Eichendorff verknüpft die Intensität der Liebe mit einem tiefen Schmerz und einer Sehnsucht, die nach Erfüllung strebt, selbst wenn diese Erfüllung den Liebenden in der Hoffnungslosigkeit zu verlieren scheint.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.