Der Einsiedler
Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!
Wie steigst du von den Bergen sacht,
Die Lüfte alle schlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermüd‘,
Singt übers Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.
Die Jahre wie die Wolken gehn
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen,
Da tratst du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.
O Trost der Welt, du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt,
Laß ausruhn mich von Lust und Not,
Bis daß das ew’ge Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Einsiedler“ von Joseph von Eichendorff beschreibt die Sehnsucht nach innerer Ruhe und Einkehr, die der Sprecher in der stillen Nacht findet. Zu Beginn ruft der Sprecher die „stille Nacht“ als „Trost der Welt“ an, die wie ein sanfter Begleiter von den Bergen heraufsteigt. In dieser Nacht ist die Welt ruhig, „die Lüfte alle schlafen“, und nur der „Schiffer“ singt sein Abendlied, das als eine Form der Andacht und der Verbindung zu Gott verstanden werden kann. Diese Szenerie zeigt die Nacht als eine Zeit der Einkehr und des Friedens.
Die zweite Strophe bringt eine melancholische Reflexion über den Verlauf der Zeit. Die „Jahre wie die Wolken gehn“ und der Sprecher fühlt sich von der Welt vergessen. Diese Worte deuten auf ein Gefühl der Entfremdung und des Alleinseins hin, das der Sprecher in der Einsamkeit des Waldes erlebt. Doch in dieser Einsamkeit tritt die „stille Nacht“ zu ihm, als eine Art heilender Trost, der ihm in der Einsamkeit beisteht. Der Bezug zur Natur, insbesondere das „Waldesrauschen“, wird zu einem Symbol für das Nachdenken und die Suche nach innerer Ruhe und Orientierung.
In der dritten Strophe wird der Wunsch nach Ruhe und Frieden verstärkt. Der Sprecher spricht davon, dass der „Tag“ ihn „müd gemacht“ hat, was für die Erschöpfung durch das Leben und seine Herausforderungen steht. Das „weite Meer“ wird als Symbol für die weite, unbekannte Welt und deren Unwägbarkeiten verwendet. Die Nacht, als ein Moment der Ruhe und des Ausruhens, wird zum Symbol für Erholung und geistige Erneuerung. Der Sprecher sehnt sich danach, von den „Lust und Not“ des Lebens ausruhen zu können, um auf das „ew’ge Morgenrot“ zu warten, das den Beginn eines neuen, friedlichen Tages symbolisiert.
Eichendorff bringt hier auf kunstvolle Weise die Themen der Einsamkeit, des Trostes und der göttlichen Ruhe zusammen. Die Nacht als Trostspenderin wird in einem fast mystischen Licht dargestellt, und das Gedicht endet mit einer Hoffnung auf den neuen Morgen, der den stillen Wald erleuchten wird. Die „stille Nacht“ erscheint als ein Symbol für den Trost und die Ruhe, die der Mensch in der Einkehr und im Glauben findet.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.