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Um Mitternacht

Von

Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,
Klein, kleiner Knabe, jenen Kirchhof hin
Zu Vaters Haus, des Pfarrers, Stern am Sterne,
Sie leuchteten doch alle gar zu schön;
Um Mitternacht.

Wenn ich dann ferner in des Lebens Weite
Zur Liebsten mußte, mußte, weil sie zog,
Gestirn und Nordschein über mir im Streite,
Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;
Um Mitternacht.

Bis dann zuletzt des vollen Mondes Helle
So klar und deutlich mir ins Finstere drang,
Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle
Sich ums Vergangne wie ums Künftige schlang;
Um Mitternacht.

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Gedicht: Um Mitternacht von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Um Mitternacht“ von Johann Wolfgang von Goethe schildert in drei Strophen unterschiedliche Lebensphasen, die alle mit nächtlichen Wanderungen unter dem Sternenhimmel verbunden sind. Die wiederholte Zeitangabe „Um Mitternacht“ unterstreicht die besondere Atmosphäre der nächtlichen Stunden, in denen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verschmelzen.

In der ersten Strophe erinnert sich das lyrische Ich an seine Kindheit: Ein junger Knabe, der nachts über den Kirchhof zum Haus seines Vaters – des Pfarrers – geht. Trotz der anfänglichen Furcht wird er von den Sternen begleitet, deren Licht ihn fasziniert. Die Szene verbindet kindliche Unsicherheit mit einer ersten Erfahrung von Schönheit und Erhabenheit.

Die zweite Strophe führt in das Jugendalter, in dem die Liebe zur treibenden Kraft wird. Das lyrische Ich wandert „in des Lebens Weite“, weil es zur Geliebten muss. Die Himmelsphänomene – Gestirne und Nordlichter – scheinen dabei in einem unruhigen Kampf zu stehen, spiegeln möglicherweise die emotionalen Spannungen und Sehnsüchte wider. Dennoch bleibt die nächtliche Wanderung von Seligkeit erfüllt.

In der dritten Strophe schließlich erreicht die Reflexion eine höhere Ebene. Die klare Helligkeit des Vollmondes durchdringt die Dunkelheit, und ebenso wird der Geist des lyrischen Ichs erleuchtet. Vergangenheit und Zukunft verbinden sich in einem sinnigen, nachdenklichen Bewusstsein. So symbolisiert das Gedicht den menschlichen Lebensweg, von kindlicher Unsicherheit über jugendliche Leidenschaft bis hin zu reifer Erkenntnis – stets begleitet vom Licht der Sterne.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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