Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , ,

Reisezehrung

Von

Entwöhnen sollt‘ ich mich vom Glanz der Blicke,
Mein Leben sollten sie nicht mehr verschönen.
Was man Geschick nennt, läßt sich nicht versöhnen,
Ich weiß es wohl und trat bestürzt zurücke.

Nun wußt‘ ich auch von keinem weitern Glücke
Gleich fing ich an, von diesen und von jenen
Notwend’gen Dingen sonst mich zu entwöhnen:
Notwendig schien mir nichts als ihre Blicke.

Des Weines Glut, den Vielgenuß der Speisen,
Bequemlichkeit und Schlaf und sonst’ge Gaben,
Gesellschaft wies ich weg, daß wenig bliebe.

So kann ich ruhig durch die Welt nun reisen:
Was ich bedarf, ist überall zu haben,
Und Unentbehrlichs bring‘ ich mit – die Liebe.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Reisezehrung von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Reisezehrung“ von Johann Wolfgang von Goethe thematisiert die Entsagung weltlicher Genüsse und die Konzentration auf das Wesentliche – die Liebe. Das lyrische Ich beginnt mit der Erkenntnis, dass es sich vom „Glanz der Blicke“ entwöhnen soll, da das Schicksal unversöhnlich ist und keine Hoffnung auf Erfüllung lässt. Diese Einsicht führt zu einer inneren Leere, denn mit dem Verlust der Liebe scheint auch jedes andere Glück bedeutungslos.

Infolgedessen verzichtet das Ich bewusst auf materielle und sinnliche Genüsse: Wein, gutes Essen, Bequemlichkeit und Gesellschaft verlieren ihren Reiz. Dieser freiwillige Verzicht ist jedoch keine bloße Resignation, sondern ein bewusster Schritt hin zur Unabhängigkeit. Das lyrische Ich reduziert seine Bedürfnisse auf ein Minimum und schafft so die Möglichkeit, „ruhig durch die Welt“ zu reisen, ohne an äußere Dinge gebunden zu sein.

Dennoch bleibt ein wesentliches Element bestehen: die Liebe. Sie ist das Einzige, das nicht entbehrt werden kann, weil sie in der inneren Welt des Menschen verankert ist. Damit vermittelt das Gedicht eine tiefere Wahrheit: Wahres Glück hängt nicht von äußeren Dingen ab, sondern von dem, was der Mensch in sich trägt. „Reisezehrung“ kann so als eine Reflexion über innere Freiheit und die Macht der Liebe verstanden werden – sie ist die eigentliche Nahrung, die das Leben lebenswert macht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.