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Prometheus

Von

Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn;
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.

Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn‘, als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät,
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.

Da ich ein Kind war,
Nicht wußte wo aus noch ein,
Kehrt‘ ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär‘
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz, wie mein’s,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir
Wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du nicht Alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?

Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?

Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Blütenträume reiften?
Hier sitz‘ ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!

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Gedicht: Prometheus von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Prometheus“ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine rebellische Anklage gegen die Götter, insbesondere Zeus, und verkörpert den Geist des Sturm und Drang. In leidenschaftlichen Versen lehnt sich das lyrische Ich – in der Rolle des Titanen Prometheus – gegen göttliche Autorität auf und betont seine eigene schöpferische Kraft. Es stellt sich nicht als Bittsteller vor die Götter, sondern als ein Wesen, das sein eigenes Schicksal in die Hand nimmt.

Von Anfang an wird Zeus verspottet: Er kann den Himmel bedecken und über die Natur herrschen, doch die Erde, die Hütte und den Herd des Menschen vermag er nicht zu beeinflussen. Diese Elemente symbolisieren die Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit des Menschen, die sich der göttlichen Macht entziehen. Der Sprecher erklärt die Götter für machtlos und abhängig von den Opfern und Gebeten der Menschen, wodurch sie letztlich als schwächer als der Mensch selbst erscheinen.

Besonders zentral ist die Erkenntnis, dass nicht die Götter, sondern das eigene „heilig glühende Herz“ den Menschen geformt hat. Nicht göttliche Gnade, sondern das Schicksal und die Zeit haben ihn zu dem gemacht, was er ist. Daraus leitet Prometheus eine radikale Absage an Zeus ab: Er schuldet ihm keine Verehrung, sondern schafft selbst neue Menschen, die sein Schicksal teilen – fähig zu Leid, Freude und Selbstbestimmung.

Das Gedicht steht somit für das Streben nach individueller Freiheit und schöpferischer Selbstverwirklichung. Prometheus wird zum Sinnbild des aufbegehrenden Menschen, der sich nicht mehr von einer höheren Macht abhängig macht, sondern sein eigenes Leben selbst gestaltet. Mit dieser Haltung stellt Goethe den Menschen ins Zentrum der Welt – ein Gedanke, der den Geist der Aufklärung und des Sturm und Drang perfekt widerspiegelt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.