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Mächtiges Überraschen

Von

Ein Strom entrauscht umwölktem Felsensaale,
Dem Ozean sich eilig zu verbinden;
Was auch sich spiegeln mag von Grund zu Gründen,
Er wandelt unaufhaltsam fort zu Tale.

Dämonisch aber stürzt mit einem –
Ihr folgen Berg und Wald in Wirbelwinden –
Sich Oreas, Behagen dort zu finden,
Und hemmt den Lauf, begrenzt die weite Schale.

Die Welle sprüht, und staunt zurück und weichet,
Und schwillt bergan, sich immer selbst zu trinken;
Gehemmt ist nun zum Vater hin das Streben.

Sie schwankt und ruht, zum See zurückgedeichet;
Gestirne, spiegelnd sich, beschau’n das Blinken
Des Wellenschlags am Fels, ein neues Leben.

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Gedicht: Mächtiges Überraschen von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mächtiges Überraschen“ von Johann Wolfgang von Goethe beschreibt eine dramatische Naturgewalt: den unaufhaltsamen Fluss eines Stromes, der sich dem Ozean entgegenstrebt, bis er plötzlich von einer mächtigen Kraft, verkörpert durch Oreas, die Nymphe der Berge, gebremst wird. Dieses überraschende Eingreifen verändert den ursprünglichen Lauf des Wassers grundlegend.

Im ersten Teil des Gedichts wird die Dynamik des Stromes betont, der sich unbeirrbar seinen Weg bahnt und dabei alles spiegelt, was sich ihm zeigt. Diese Bewegung symbolisiert einen zielgerichteten Lebensweg oder das natürliche Streben nach Vollendung. Doch plötzlich wird dieses Streben durch das Eingreifen der Oreas aufgehalten. Sie begrenzt das Wasser, zwingt es zur Umkehr und verwandelt den wilden Strom in einen ruhenden See.

Diese Metamorphose des Wassers deutet auf einen tiefgreifenden Wandel hin: Aus Bewegung wird Stille, aus Drang zur Weite wird Begrenzung, aus Chaos entsteht eine neue Form von Harmonie. Die Sterne spiegeln sich nun im ruhigen Wasser, das zuvor nur hastig seinem Ziel entgegenströmte. Damit kann das Gedicht als Allegorie auf das menschliche Leben gelesen werden – ein unerwartetes Ereignis kann einen Menschen innehalten lassen und eine neue Perspektive oder gar eine höhere Schönheit offenbaren. Die Ruhe des Sees steht für eine neue, tiefere Form des Daseins, die erst durch das Aufhalten der ursprünglichen Bewegung möglich wurde.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.