Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , ,

Kriegsglück

Von

Verwünschter weiß ich nichts im Krieg,
Als nicht blessiert zu sein.
Man geht getrost von Sieg zu Sieg
Gefahrgewohnt hinein;
Hat abgepackt und aufgepackt
Und weiter nichts ereilt,
Als daß man auf dem Marsch sich plackt,
Im Lager langeweilt.

Dann geht das Kantonieren an,
Dem Bauer eine Last,
Verdrießlich jedem Edelmann
Und Bürgern gar verhaßt.
Sei höflich, man bedient dich schlecht,
Den Grobian zur Not;
Und nimmt man selbst am Wirte Recht,
Ißt man Profossenbrot.

Wenn endlich die Kanone brummt
Und knattert ’s klein Gewehr,
Trompet und Trab und Trommel summt,
Da geht’s wohl lustig her;
Und wie nun das Gefecht befiehlt,
Man weichet, man erneut’s,
Man retiriert, man avanciert –
Und immer ohne Kreuz.

Nun endlich pfeift Musketenblei
Und trifft, will’s Gott, das Bein,
Und nun ist alle Not vorbei,
Man schleppt uns gleich hinein
Zum Städtchen, das der Sieger deckt,
Wohin man grimmig kam;
Die Frauen, die man erst erschreckt,
Sind liebenswürdig zahm.

Da tut sich Herz und Keller los,
Die Küche darf nicht ruhn;
Auf weicher Betten Flaumenschoß
Kann man sich gütlich tun.
Der kleine Flügelbube hupft,
Die Wirtin rastet nie,
Sogar das Hemdchen wird zerzupft,
Das nenn ich doch Scharpie!

Hat eine sich den Helden nun
Beinah herangepflegt,
So kann die Nachbarin nicht ruhn,
Die ihn gesellig hegt.
Ein Drittes kommt wohl emsiglich,
Am Ende fehlet keins,
Und in der Mitte sieht er sich
Des sämtlichen Vereins.

Der König hört von guter Hand,
Man sei voll Kampfeslust;
Da kömmt behende Kreuz und Band
Und zieret Rock und Brust.
Sagt, ob’s für einen Martismann
Wohl etwas Beßres gibt!
Und unter Tränen scheidet man
Geehrt so wie geliebt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Kriegsglück von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Kriegsglück“ von Johann Wolfgang von Goethe beschreibt mit ironischem Tonfall die Erfahrungen eines Soldaten im Krieg. Anstatt heroische Schlachten oder patriotische Pflichterfüllung zu verherrlichen, beleuchtet Goethe die alltäglichen Strapazen des Krieges – von der Langeweile im Lager über die unbequemen Einquartierungen bis hin zum eigentlichen Gefecht. Besonders hervorgehoben wird dabei die absurde Logik des Kriegsglücks: Wer unverletzt bleibt, erleidet nur Mühsal, während eine Verwundung letztlich Annehmlichkeiten und Anerkennung mit sich bringt.

Der Höhepunkt des „Glücks“ liegt in der Verwundung, die dem Soldaten eine komfortable Versorgung in einem sicheren Ort beschert. Hier erlebt er das plötzliche Umschlagen der feindlichen Stimmung: Die Frauen, die ihn zuvor fürchteten, kümmern sich nun um ihn, und statt Strapazen erwarten ihn Fürsorge, gutes Essen und Anerkennung. Diese Wendung ins Absurde unterstreicht Goethes kritische Haltung gegenüber der romantischen Verklärung des Krieges.

Schließlich wird der verwundete Soldat auch noch ausgezeichnet und als Held gefeiert – nicht wegen übermenschlicher Tapferkeit, sondern letztlich durch Zufall. Der Krieg erscheint somit als ein absurdes Spiel, bei dem der größte „Erfolg“ nicht im unversehrten Überleben, sondern im Erleiden einer glimpflichen Verletzung liegt. Mit scharfem Witz und feiner Satire entlarvt Goethe die Illusion vom heldenhaften Kriegsruhm und zeigt, dass das wahre „Glück“ des Krieges oft in der glücklichen Fügung der Umstände besteht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.