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Der König in Thule

Von

Es war ein König in Thule
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,
Er leert‘ ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
Sooft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,
Zählt‘ er seine Städt im Reich,
Gönnt‘ alles seinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.

Er saß beim Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale,
Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensglut,
Und warf den heil’gen Becher
Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer.
Die Augen täten ihm sinken;
Trank nie einen Tropfen mehr.

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Gedicht: Der König in Thule von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der König in Thule“ von Johann Wolfgang von Goethe erzählt in einer balladenhaften Form die Geschichte eines Königs, der seiner verstorbenen Geliebten bis an sein Lebensende treu bleibt. Der goldene Becher, den sie ihm auf dem Sterbebett schenkte, wird zum Symbol dieser unerschütterlichen Liebe. Er nutzt ihn nicht nur als Trinkgefäß, sondern verbindet mit ihm tiefe emotionale Erinnerungen, sodass er ihn bei jedem Mahl mit Rührung verwendet.

Die Handlung steigert sich, als der König seinem Tod entgegensieht. Während er all seinen Besitz seinem Erben vermacht, behält er den Becher für sich – ein Zeichen dafür, dass dieser nicht materiellen Wert hat, sondern etwas Unersetzliches für ihn darstellt. Beim letzten Königsmahl wirft er ihn ins Meer, wodurch er bewusst die Verbindung zur Vergangenheit und zur geliebten Verstorbenen löst. Dieser Moment ist von großer Symbolkraft: Indem er den Becher versenkt, gibt er sein Leben endgültig auf.

Das Gedicht endet mit einem eindrucksvollen Bild: Der König beobachtet, wie der Becher in der Tiefe versinkt, und stirbt daraufhin selbst. Dies verdeutlicht die untrennbare Verknüpfung seines Lebens mit der Erinnerung an seine Geliebte. „Der König in Thule“ thematisiert somit Liebe, Treue und Vergänglichkeit und zeigt, wie stark Erinnerungen und emotionale Bindungen selbst über den Tod hinaus wirken können.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.