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Das Veilchen

Von

Ein Veilchen auf der Wiese stand
gebückt in sich und unbekannt;
es war ein herziges Veilchen.
Da kam eine junge Schäferin,
mit leichtem Schritt und muntern Sinn,
daher, daher
die Wiese her, und sang.

Ach! Denkt das Veilchen, wär ich nur
die schönste Blume der Natur,
ach nur ein kleines Weilchen,
bis mich das Liebchen abgepflückt
und an dem Busen mattgedrückt.
Ach nur, ach nur
ein Viertelstündchen lang!

Ach! Aber ach! Das Mädchen kam
und nicht in acht das Veilchen nahm,
zertrat das arme Veilchen.
Es sank und starb und freut sich noch:
und sterb ich denn, so sterb ich doch
durch sie, durch sie,
zu ihren Füßen doch.

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Gedicht: Das Veilchen von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Veilchen“ von Johann Wolfgang von Goethe erzählt in einer kurzen, tragischen Fabel die Geschichte eines unscheinbaren Veilchens, das von einer jungen Schäferin übersehen und achtlos zertreten wird. Das Veilchen verkörpert dabei das schüchterne, hoffnungsvoll liebende Wesen, das sich nichts sehnlicher wünscht, als von der Geliebten beachtet zu werden – selbst wenn dies nur für einen kurzen Moment geschieht.

Die Schäferin, die unbeschwert über die Wiese läuft, nimmt das Veilchen jedoch nicht wahr und zerstört es unbeabsichtigt. Doch selbst im Tod empfindet das Veilchen eine gewisse Erfüllung: Es stirbt durch sie und zu ihren Füßen. Diese Haltung drückt eine selbstaufopfernde, idealisierte Liebe aus, die sich selbst im Schmerz noch dem geliebten Wesen unterordnet.

Goethe verbindet hier Naturlyrik mit einer tiefen, melancholischen Liebesthematik. Das Veilchen steht symbolisch für die unsichtbare, unerwiderte Liebe, die voller Sehnsucht ist, aber letztlich unbeachtet bleibt. Der Kontrast zwischen der naiven Hoffnung des Veilchens und der grausamen Realität verleiht dem Gedicht eine bittersüße, fast ironische Note, die das romantische Ideal der Hingabe kritisch hinterfragt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.