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Das Göttliche

Von

Edel sei der Mensch,
Hülfreich und gut!
Denn das allein
Unterscheidet ihn
Von allen Wesen,
Die wir kennen.

Heil den unbekannten
Höhern Wesen,
Die wir ahnen!
Ihnen gleiche der Mensch;
Sein Beispiel lehr uns
Jene glauben.

Denn unfühlend
Ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
Über Bös‘ und Gute,
Und dem Verbrecher
Glänzen wie dem Besten
Der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme,
Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg
Und ergreifen,
Vorübereilend,
Einen um den andern.

Auch so das Glück
Tappt unter die Menge,
Faßt bald des Knaben
Lockige Unschuld,
Bald auch den kahlen,
Schuldigen Scheitel.

Nach ewigen, ehrnen,
Großen Gesetzen
Müssen wir alle
Unseres Daseins
Kreise vollenden.

Nur allein der Mensch
Vermag das Unmögliche:
Er unterscheidet,
Wählet und richtet;
Er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.

Er allein darf
Den Guten lohnen,
Den Bösen strafen,
Heilen und retten,
Alles Irrende, Schweifende
Nützlich verbinden.

Und wir verehren
Die Unsterblichen,
Als wären sie Menschen,
Täten im Großen,
Was der Beste im Kleinen
Tut oder möchte.

Der edle Mensch
Sei hülfreich und gut!
Unermüdet schaff er
Das Nützliche, Rechte,
Sei uns ein Vorbild
Jener geahneten Wesen!

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Gedicht: Das Göttliche von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Göttliche“ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine philosophische Reflexion über die besondere Stellung des Menschen in der Welt. Goethe hebt den Menschen als ein Wesen hervor, das sich durch Güte und Hilfsbereitschaft von der restlichen Natur unterscheidet. Während die Natur blind und unpersönlich wirkt – Sonne und Mond leuchten für alle gleichermaßen, Glück und Unglück treffen die Menschen zufällig –, besitzt der Mensch die Fähigkeit zur moralischen Entscheidung und zum bewussten Handeln.

Ein zentrales Thema des Gedichts ist die Verantwortung des Menschen. Während die Natur von unveränderlichen Gesetzen bestimmt wird, hat der Mensch die Möglichkeit, das Gute zu wählen, Gerechtigkeit walten zu lassen und Leid zu lindern. Diese Fähigkeit macht ihn gottähnlich, denn er kann bewusst Einfluss auf seine Umgebung nehmen. Goethe verknüpft damit eine humanistische Idee: Nicht göttliches Eingreifen, sondern menschliche Vernunft und Ethik sollen das Leben verbessern.

Das Gedicht endet mit einem Appell an die Menschlichkeit: Der Mensch soll sich seiner edlen Fähigkeiten bewusst sein und anderen zum Vorbild werden. Goethe betont damit eine optimistische Sicht auf die menschliche Natur, in der das Gute nicht durch äußere Mächte, sondern durch individuelle Entscheidungen verwirklicht wird. So stellt „Das Göttliche“ eine idealistische Vision dar, in der der Mensch durch sein Handeln selbst zur Verkörperung jener höheren Wesen wird, die er verehrt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.