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Begünstigte Tiere

Von

Vier Tieren auch verheißen war,
Ins Paradies zu kommen;
Dort leben sie das ew’ge Jahr
Mit Heiligen und Frommen.

Den Vortritt hier der Esel hat,
Er kommt mit muntern Schritten:
Denn Jesus zur Prophetenstadt
Auf ihm ist eingeritten.

Halb schüchtern kommt ein Wolf sodann,
Dem Mahomet befohlen:
„Lass dieses Schaf dem armen Mann,
Dem Reichen magst du’s holen.“

Nun, immer wedelnd, munter, brav,
Mit seinem Herrn, dem braven,
Das Hündlein, das den Siebenschlaf
So treulich mitgeschlafen.

Abuherriras Katze hier
Knurrt um den Herrn und schmeichelt:
Denn immer ist’s ein heilig Tier,
Das der Prophet gestreichelt.

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Gedicht: Begünstigte Tiere von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Begünstigte Tiere“ von Johann Wolfgang von Goethe greift auf humorvolle Weise religiöse Überlieferungen auf und stellt eine Verbindung zwischen Tieren und spirituellen Traditionen her. Es beschreibt vier Tiere, denen das Privileg zuteilwird, ins Paradies einzugehen, da sie in heiliger Geschichte eine besondere Rolle gespielt haben.

Der Esel hat den Vortritt, da er Jesus in die „Prophetenstadt“ – also nach Jerusalem – trug. Dieses Bild stammt aus dem Neuen Testament und verweist auf den demütigen, aber bedeutsamen Beitrag des Esels zum Palmsonntag. Ihm folgt ein Wolf, den Mahomet (Mohammed) zur Mäßigung ermahnt, indem er ihn auffordert, das Schaf eines armen Mannes zu verschonen – ein Hinweis auf islamische Erzählungen über Barmherzigkeit und Gerechtigkeit.

Das dritte Tier ist ein Hund, der mit seinem Herrn gemeinsam den „Siebenschlaf“ gehalten hat. Dies bezieht sich auf die christliche und islamische Legende der „Sieben Schläfer von Ephesus“, in der ein Hund treu bei seinen schlafenden Herren wacht. Schließlich wird die Katze erwähnt, die von Abuherrira, einem Gefährten des Propheten Mohammed, besonders geschätzt wurde. Auch hier wird die Katze als heiliges Tier dargestellt, das in islamischer Tradition mit Reinheit und Nähe zum Menschen verbunden wird.

Goethes Gedicht vereint also Motive aus christlichen und islamischen Überlieferungen in einer spielerischen, fast märchenhaften Weise. Es zeigt die Verbindung zwischen Religion und Tierwelt, aber auch eine gewisse Ironie: Während Menschen oft um ihren Platz im Paradies ringen, scheinen diese Tiere auf einfachem Weg dorthin zu gelangen – nicht durch eigenes Verdienst, sondern durch ihre Rolle in göttlichen Geschichten.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.