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Scherzlied

Von

Freund des Himmels, steht das wol,
Fremde Müh‘ und Arbeit stehlen?
Solches pfleg‘ ich zu befehlen
Einem, der bald kläglich sol
Seine Sünd‘ im Regen büßen
Und uns segnen mit den Füßen.

Ich bekenn‘, es war ja schlecht,
Was ich dazumal geschrieben;1
Niemals pflag‘ ich das zu lieben,
Was ich schreib‘, als wär es recht;
Auch sogar, daß meine Sachen
Keiner könte besser machen.

Weg mit solchem Uebermut!
Das sind rechte Midasohren.
Andre sind auch keine Thoren.
Solcher Stolz thut nimmer gut.
Der ist billig klug zu nennen,
Der sein‘ eigne Fehl kan kennen.

Ich weiß wol, Ihr kluger Hahn,
Mich nach meiner Maß zu messen.
Ist es aber unterdessen
Recht und wol von Euch gethan,
Daß Ihr Euch mit Früchten stopfet,
Derer Stamm Ihr nie gepfropfet?

Aber ich erinnre mich,
Daß Ihr seid gewohnt zu liegen.
Was Ihr schreibet von den Kriegen,
Ist das wahr? Ja hindersich!
Wer nun leugt durch all sein Leben,
Ist dem Stehlen auch ergeben.

Lieget, stehlet! Dieß ist klein,
Bis Ihr größer Lob erwerbet.
Wo Ihr aber vor mir sterbet,
Sol dieß Eure Grabschrift sein:
Diese Dohl‘, so hier vergaben,
That kein‘ eigne Feder haben.

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Gedicht: Scherzlied von Johann Rist

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Scherzlied“ von Johann Rist ist eine spöttische und ironische Auseinandersetzung mit einem Kritiker oder Plagiator. In lockerem, scherzhaftem Ton verteidigt sich das lyrische Ich gegen Vorwürfe oder das unredliche Verhalten eines anderen, wobei vor allem der Diebstahl geistigen Eigentums im Zentrum steht. Rist nutzt die Gelegenheit, um den Hochmut und die Unredlichkeit seines Gegners anzuprangern.

Rist bekennt zunächst selbstironisch, dass seine eigenen Werke nicht perfekt seien und er sie nicht übermäßig lobe. Er distanziert sich bewusst vom Hochmut und kritisiert stattdessen jene, die sich fremder Leistungen bedienen und sich mit fremden Federn schmücken. Dieses Motiv wird besonders deutlich in der abschließenden Grabschrift, die den Gegner als „Dohle“ bezeichnet – ein Vogel, der für seine Gewohnheit bekannt ist, glänzende Dinge zu stehlen.

Sprachlich ist das Gedicht lebendig und volksnah gestaltet, mit kräftigen Bildern und deutlicher Ironie. Die Anspielung auf die „Midasohren“ verweist auf die mythologische Figur des Königs Midas, der wegen seiner Torheit Eselsohren erhielt, und unterstreicht so den Vorwurf der Unfähigkeit und Dummheit. Der Wechsel zwischen Selbstkritik und scharfer Anklage verleiht dem Text eine dynamische Struktur und macht die Ironie umso schärfer.

Insgesamt zeigt „Scherzlied“, wie Johann Rist Humor und Satire geschickt einsetzt, um sich gegen Vorwürfe zu verteidigen und Fehlverhalten anderer bloßzustellen. Dabei bleibt der Ton bewusst leicht und spielerisch, ohne an Schärfe und Deutlichkeit zu verlieren. Möchtest du noch eine kurze Deutung, wie Rist hier barocke Moralvorstellungen einfließen lässt?

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.