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Lob der Poeten

Von

Kaum gläub‘ ich, daß auf dieser Erd‘
Ein höher Lob gegeben werd‘
An allem Ort‘ und Enden,
Als denen, die mit Hand und Mund
Des Himmels Gaben machen kund,
Ja Lehr‘ und Tugend senden
In manches Herz, das dieser Zeit
Sich sondert von der Eitelkeit.

Poeten mein‘ ich, werter Freund,
Poeten, welchen niemand feind
Als Leute, die nichts wißen;
Die nur sind Schlaven dieser Welt,
Ja Tag und Nacht das bloße Geld
Zu samlen sind geflißen.
Bei solchem Stank und Lasterschaum
Hat selten ein Poete Raum.

Ein edler Geist, der höher zielt,
Ein Geist, der Feur und Himmel fühlt,
Ist inniglich gewogen
Der hochgelahrten Tichter Schar,
Von welchen nimmermehr fürwahr
Ein Frommer wird betrogen;
Da samlet sich zu ieder Frist
Was hungrig nach der Weisheit ist.

Wenn lobet Gott ein reiner Mund,
Wer ehret ihn aus Herzengrund?
Ich mein‘, es thun Poeten.
Wer rühmet Gottes Wunderthat,
Im Fall er ihn erlöset hat
Aus großer Angst und Nöten?
Wer singet Gott ein Liedelein?
Ich sage, daß es Tichter sein.

Wer wüste von den Helden doch
Ein einzigs Wort zu sagen noch,
Welch‘ Ilium bezwungen,
Wenn der Poeten Haubt und Licht,
Homerus, ihre Thaten nicht
Der Nachwelt vorgesungen?
Ein hochbegabter Tichter schreibt
Ein Werk, das nach dem Tode bleibt.

Poeten können Herz und Sinn
Durch ihre Kunst zum Trauren hin,
Wenn sie nur wollen, bringen;
Sie können wiedrum schweres Leid
Verkehren bald in lauter Freud‘
Und solches durch ihr Singen.
Was Menschen Augen je gesehn,
Muß ihnen schnell zu Dienste stehn.

Dafern nur ein Poete wil,
So steht der Himmel nimmer stil,
Die Sterne müssen tanzen;
Es springen auch die Stein‘ herfür,
Da hüpfen Wälder, Berg‘ und Thier‘,
Es zittern Wäll‘ und Schanzen;
Ja, was die schwarze Nacht bedeckt,
Wird durch Poeten aufgeweckt.

Herr Klaius, tretet doch herbei,
Durchleset dieß und saget frei,
Ob ich die Wahrheit schreibe?
Das weiß ich, daß kein Biedermann,
Was ich hier singe, strafen kan,
Wenn ich nur kühnlich bleibe
Bei dem allein, was Ihr gemacht,
Worüber Erd‘ und Himmel lacht.

Ihr, werter Tichter, und der Held,
Herr Harstorff, den die große Welt
Vor tausend andre preiset,
Ihr beide singet dergestalt,
Daß Ihr, was ich geschrieben, bald
Mit Hand und Mund‘ erweiset;
Drum seid Ihr, Lichter dieser Zeit,
Gesichert vor der Sterblichkeit.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Lob der Poeten von Johann Rist

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lob der Poeten“ von Johann Rist ist eine hymnische Verteidigung und Wertschätzung der Dichter und ihrer Rolle in der Gesellschaft. Rist stellt die Poeten als Mittler zwischen Himmel und Erde dar, die göttliche Weisheit und Tugend verbreiten und damit einen höheren und dauerhafteren Wert besitzen als materielle Reichtümer oder weltliche Erfolge. Besonders im Kontrast zu geldgierigen und oberflächlichen Menschen erscheint das poetische Schaffen als edel und gottgefällig.

Rist nutzt eine leidenschaftliche Sprache und ein hohes Maß an Rhetorik, um die Macht der Dichtung zu betonen: Poeten können laut ihm sowohl Trost spenden als auch Freude bringen, Naturgewalten bewegen und selbst das Unsichtbare sichtbar machen. Die bildhafte Übersteigerung – etwa tanzende Sterne oder springende Wälder – unterstreicht die kreative Kraft, die Rist den Dichtern zuschreibt.

Ein zentrales Motiv ist die bleibende Wirkung der Dichtung über den Tod hinaus. Durch das Beispiel Homers verweist Rist auf die Rolle der Poeten als Bewahrer des kollektiven Gedächtnisses der Menschheit. Werke der Dichter bleiben bestehen, wenn alles andere vergeht, und bewahren die Taten und Tugenden vergangener Zeiten.

Am Ende wendet sich Rist direkt an Zeitgenossen und lobt insbesondere die Dichter Klaius und Harstorff, die er als leuchtende Beispiele gegen die Vergänglichkeit hervorhebt. Damit verleiht er seiner allgemeinen Lobpreisung eine persönliche Dimension. Das Gedicht ist sowohl eine poetische Selbstbehauptung als auch eine Hommage an die schöpferische Kraft und moralische Verantwortung der Dichter.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.