Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , ,

Blumen des Gartens

Von

Liebster, wilst du meiner warten,
Bis die Sonne bricht herfür,
Und mich führen in den Garten
Durch der Andacht schöne Thür,
Zarter Blumen Lieblichkeit
In der süßen Frühlingszeit
Mit Verwundern zu besehen,
Ei, so kom und laß uns gehen!

Jesu, sol ich deinen Augen
Einmal recht gefällig sein,
Sol mein Schmuck nur etwas taugen,
Sol ich prangen hell und rein
Dir zur Ehr und mir zum Ruhm:
Ei, so must du manche Blum‘
An den klaren Tugendbächen,
Mich zu zieren, freundlich brechen.

Ja, du führst mich bei den Händen
Zu dem bunten Blumenheer;
Ach, wohin sol ich mich wenden,
Finden, was ich längst begehr?
Haben dort nicht ihre Stell‘
Edle Rosen, die so hell
Und gar rot von Farben blühen,
Daß sie Purpur vorzuziehen?

Aber das so scharfe Stechen
Ihrer Zweiglein thut mir weh;
Herr, du wollst es ja nicht rächen,
Wenn ich leider nochmals geh‘
In der schnöden Wollust Bahn,
Wie ich manchen Tag gethan,
So daß ich in Schand und Nöten
Wie die Rose muß erröten.

Lieblich zwar sind diese Rosen,
Dauern doch nur kurze Zeit;
Solt‘ ich selber mich liebkosen
Wie ein Kind der Eitelkeit?
Nein, die Wollust fliegt dahin;
Auch des Lebens Rauberin,
Unsre Zeit, muß schnell vergehen,
Wie die Rosen nicht bestehen.

Liebster, führe mich nur weiter
Auf das klare Lilienfeld,
Brich mir eine, mein Begleiter!
Bin ich dir doch zugesellt.
Ach, daß solch ein edle Blum‘
Ich in deinem Heiligtum
Möcht‘ in rechter Unschuld heißen
Und von wahrer Tugend gleißen.

Aller Menschen Schmuck und Prangen
Ist doch lauter Trügerei;
Auch kein Kaiser kan’s erlangen,
Daß er gleich den Lilien sei.
Wil ich helle Kleider sehn,
Darf ich nur zum Garten gehn,
Wo die Blumen auch erzählen,
Daß uns Christen nichts kan fehlen.

Ei, wie blühen die Narcissen
Und Violen mancher Art!
Gleichwol läßt mein Freund mich wissen,
Daß die Zeit sie nimmer spart.
Was ist unser Leben doch!
Wenn man ist bemühet noch,
Viel zu lernen, viel zu schaffen,
Pflegt der Tod uns hinzuraffen.

Meine Zeit ist fast vergangen:
Führe mich, mein Jesu, hin,
Wo sich stillet mein Verlangen
Und ich selbst dein Blümlein bin,
In das schönste Paradeis,
Wo man nichts zu sagen weiß
Als von Jauchzen, Triumphieren,
Mit den Deinen zu regieren.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Blumen des Gartens von Johann Rist

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Blumen des Gartens“ von Johann Rist ist ein religiös geprägter allegorischer Text, der die Seele des Menschen auf ihrem Weg zu Tugend und Reinheit beschreibt. Das lyrische Ich bittet Jesus, es durch einen Garten zu führen, der als Symbol für geistige Tugenden und spirituelle Schönheit steht. Die Blumen im Garten stehen sinnbildlich für Tugenden wie Unschuld, Reinheit und wahre Freude im Glauben.

Rist verwendet eine Vielzahl an Blumenbildern: Rosen stehen für Schönheit, aber auch für die Gefahr der Wollust und der Sünde, da ihre Dornen Schmerzen verursachen. Die Lilien hingegen symbolisieren Unschuld und göttliche Reinheit, denen das lyrische Ich nacheifern möchte. In der Ablehnung von vergänglicher Schönheit und eitler Pracht zeigt sich ein klarer Kontrast zwischen weltlichen und himmlischen Werten, was typisch für die barocke Geistlichkeit ist.

Die Sprache des Gedichts ist durchzogen von Bitten, Klagen und Hoffnungen. Durch direkte Ansprachen an Jesus wird eine persönliche, innige Beziehung zwischen dem Sprecher und dem Göttlichen aufgebaut. Gleichzeitig betont die wiederkehrende Vergänglichkeit der irdischen Dinge – Rosen, Narzissen und Veilchen verwelken – die Notwendigkeit, sich auf das Ewige auszurichten, nämlich das himmlische Paradies, wo die Seele endgültige Erfüllung findet.

Insgesamt zeigt „Blumen des Gartens“ eine tiefe Sehnsucht nach Erlösung und geistiger Vervollkommnung. Die blumengeschmückte Gartenlandschaft dient dabei nicht nur als poetisches Motiv, sondern als geistliches Lehrbild, das zur Abkehr von der Welt und zur Hinwendung zu Gott aufruft. Möchtest du noch eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Symbole im Gedicht?

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.