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Sonntagsfrühe

Von

Der Samstig het zum Sunntig gseit:
„Jez hani alli schlofe gleit;
sie sin vom Schaffe her und hi
gar sölli müed und schlöfrig gsi,
und ’s gohtmer schier gar selber so,
i cha fast uf ke Bei me stoh.“
So seit er, und wo’s Zwölfi schlacht,
se sinkt er aben in d’Mitternacht.
Der Sunntig seit: „Jez isch’s an mir!“
Gar still und heimli bschließt er d’Tür.
Er düselet hinter de Sterne no,
und cha schier gar nit obsi cho.
Doch endli ribt er d’Augen us,
er chunnt der Sunn an Tür und Hus;
sie schloft im stille Chämmerli;
er pöpperlet am Lädemli;
er rüft der Sunne: „D’Zit isch do!“
Sie seit: „I chumm enanderno.“
Und lisli uf de Zeche goht,
und heiter uf de Berge stoht
der Sunntig, und ’s schloft alles no;
es sieht und hört en niemes goh;
er chunnt ins Dorf mit stillem Tritt,
und winkt im Guhl: „Verrot mi nit!“
Und wemmen endli au verwacht,
und gschlofe het die ganzi Nacht,
se stoht er do im Sunneschi,
und luegt eim zu de Fenstern i
mit sinen Auge mild und gut,
und mittem Meien uffem Hut.
Drum meint er’s treu, und was i sag,
es freut en, wemme schlofe mag,
und meint, es seig no dunkel Nacht,
wenn d’Sunn am heitere Himmel lacht.
Drum isch er au so lisli cho,
drum stoht er au so liebli do.
Wie glitzeret uf Gras und Laub
vom Morgetau der Silberstaub!
Wie weiht e frische Maieluft,
voll Chriesibluest und Schlecheduft!
Und d’Immli sammle flink und frisch,
sie wüsse nit, aß ’s Sunntig isch.
Wie pranget nit im Garteland
der Chriesibaum im Maiegwand,
Gelveieli und Tulipa,
und Sterneblume nebe dra,
und gfüllti Zinkli blau und wiiß,
me meint, me lueg ins Paradies!
Und ’s isch so still und heimli do,
men isch so rüeihig und so froh!
Me hört im Dorf kei „Hüst“ und „Hott“;
e „Gute Tag“, und „Dank der Gott“,
und „’s git gottlob e schöne Tag“,
isch alles, was me höre mag.
Und ’s Vögeli seit: „Frili jo!
Potz tausig, jo, do isch er scho!
Er dringt jo in sim Himmelsglast
dur Bluest und Laub in Hurst und Nast!“
Und ’s Distelzwigli vorne dra
het ’s Sunntigröckli au scho a.
Sie lüte weger ’s Zeiche scho,
der Pfarer, schint’s, well zitli cho.
Gang, brechmer eis Aurikli ab,
verwüschet mer der Staub nit drab,
und Chüngeli, leg di weidli a,
de muesch derno ne Meie ha!

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Gedicht: Sonntagsfrühe von Johann Peter Hebel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sonntagsfrühe“ von Johann Peter Hebel beschreibt in lebendigen Bildern und liebevoller Sprache das stille Erwachen eines Sonntagsmorgens auf dem Land. Der Kontrast zwischen dem müden Samstag und dem zarten Beginn des Sonntags steht im Mittelpunkt der ersten Strophen. Der Sonntag wird personifiziert als sanfter Besucher, der „lisli“ (leise) und rücksichtsvoll ins Dorf tritt, um niemanden aus dem Schlaf zu reißen. Diese ruhige und freundliche Art des Morgens verleiht dem Sonntag eine fast feierliche, friedliche Würde.

Die Natur wird in voller Schönheit geschildert: Der frische Morgentau, die blühenden Kirschbäume, der Duft von Blüten und das klare Sonnenlicht schaffen eine Atmosphäre der Harmonie und des Neubeginns. Besonders das Zusammenspiel von Stille und Licht – der Sonnenschein, der „lisli“ an die Fenster tritt – unterstreicht die besondere Stimmung dieses Sonntags. Die ländliche Umgebung mit den Blüten, den Insekten und der erwachenden Tierwelt wird dabei zum Teil dieser Sonntagsidylle.

Hebel schafft es, mit volkstümlicher Sprache und feinen Naturbeobachtungen die besondere Qualität des Sonntags herauszustellen. Der Tag wird als Ausnahme aus dem Alltag beschrieben, ein Tag der Ruhe, des Innehaltens und der Einkehr, der gleichzeitig von der Natur in voller Schönheit begleitet wird. Die Vögel, das „Distelzwigli“ im „Sunntigröckli“ und die „Immli“ (Bienen) sind Teil dieses feierlichen Morgens, der fast paradiesisch anmutet.

Mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Freude am Detail führt Hebel den Leser durch den Morgen, bis hin zu den sanften Geräuschen im Dorf, die mit einem „Gute Tag“ und dem „Dank der Gott“ die ruhige Stimmung unterstreichen. Das Gedicht zeigt die Schönheit des Alltäglichen und macht den Sonntag zu einem poetischen Erlebnis, das sich durch Natur, Stille und Andacht auszeichnet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.