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Neujahrslied

Von

Mit der Freude zieht der Schmerz
Traulich durch die Zeiten.
Schwere Stürme, milde Weste,
Bange Sorgen, frohe Feste
Wandeln sich zur Seiten.

Und wo eine Träne fällt,
Blüht auch eine Rose.
Schön gemischt, noch eh‘ wir’s bitten,
Ist für Thronen und für Hütten
Schmerz und Lust im Lose.

War’s nicht so im alten Jahr?
Wird’s im neuen enden?
Sonnen wallen auf und nieder,
Wolken gehn und kommen wieder,
Und kein Wunsch wird’s wenden.

Gebe denn, der über uns
Wägt mit rechter Wage,
Jedem Sinn für seine Freuden,
Jedem Mut für seine Leiden
In die neuen Tage;

Jedem auf des Lebens Pfad
Einen Freund zur Seite,
Ein zufriedenes Gemüte,
Und zu stiller Herzensgüte
Hoffnung ins Geleite!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Neujahrslied von Johann Peter Hebel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Neujahrslied“ von Johann Peter Hebel ist eine nachdenkliche und zugleich hoffnungsvolle Betrachtung über den Wechsel der Zeiten und das kommende neue Jahr. Es thematisiert die enge Verknüpfung von Freude und Leid im menschlichen Leben, die „traulich durch die Zeiten“ miteinander verbunden sind. Hebel beschreibt den stetigen Wechsel zwischen Glück und Kummer als festen Bestandteil des Lebens, den niemand durch Wünsche oder Bitten aufhalten kann.

Besonders deutlich wird dies in der Gegenüberstellung von „Träne“ und „Rose“ – Leid und Freude sind im Leben untrennbar miteinander verwoben, unabhängig davon, ob man im Palast oder in der Hütte lebt. Auch die Naturbilder wie „Sonnen wallen auf und nieder, Wolken gehn und kommen wieder“ verstärken diese Vorstellung vom ständigen Wandel, der weder im alten noch im neuen Jahr anders sein wird.

Im letzten Teil des Gedichts wendet sich Hebel an eine höhere Instanz – „der über uns wägt mit rechter Wage“. Hier wird die Hoffnung ausgedrückt, dass das Schicksal im kommenden Jahr gerecht und ausgleichend sein möge. Hebel bittet um innere Kraft, Zufriedenheit und die Fähigkeit, sowohl Freude als auch Leid anzunehmen. Besonders die Wünsche nach „einem Freund zur Seite“ und „Hoffnung ins Geleite“ verleihen dem Gedicht eine warmherzige, menschliche Dimension.

Das „Neujahrslied“ verbindet in schlichter und klarer Sprache Lebensweisheit mit einem leisen Optimismus. Hebel erkennt die Unvermeidbarkeit von Schmerz und Freude, betont jedoch das Vertrauen auf innere Stärke und das Gute im Menschen. So wird der Jahreswechsel nicht nur als kalendarisches Ereignis, sondern auch als Gelegenheit zur Besinnung und zu neuen Hoffnungen verstanden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.