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Das Hexlein

Von

Und woni uffem Schnidstuehl sitz
für Basseltang, und Liechtspön schnitz,
se chunnt e Hexli wohlgimut,
und frogt no frei: „Haut’s Messer gut?“
Und seit mer frei no „Gute Tag!“
und woni lueg, und woni sag:
„’s chönnt besser go, und Große Dank!“
se wird mer’s Herz uf eimol chrank.
Und uf, und furt enanderno,
und woni lueg, isch’s nümme do,
und woni rüef: „Du Hexli he!“
se git’s mer scho kei Antwort meh.
Und sieder schmeckt mer’s Esse nit;
stell umme, was de hesch und witt,
und wenn en anders schlofe cha,
se höri alli Stunde schlah.
Und was i schaff, das grotet nit,
und alli Schritt und alli Tritt,
se chunnt mim Sinn das Hexli für,
und was i schwetz, isch hinterfür.
’s isch wohr, es het e Gsichtli gha,
’s verlueget si en Engel dra,
und ’s seit mit so me freie Mut,
so lieb und süß: „Haut’s Messer gut?“
Und leider hani’s ghört und gseh,
und sellemols und nümme meh.
Dört isch’s an Hag und Hurst verbei,
und witers über Stock und Stei.
Wer spöchtet mer mi Hexli us,
wer zeigt mer siner Mutter Hus?
I lauf no, was i laufe cha,
wer weiß, se triffi’s doch no a!
I lauf no alli Dörfer us,
i such und frog vo Hus zu Hus,
und würd mer nit mi Hexli chund,
se würdi ebe nümme gsund.

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Gedicht: Das Hexlein von Johann Peter Hebel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Hexlein“ von Johann Peter Hebel erzählt die Geschichte eines Mannes, der von einer geheimnisvollen, zauberhaften Begegnung völlig aus der Bahn geworfen wird. Während er unschuldig auf dem „Schnidstuehl“ sitzt und handwerklich arbeitet, erscheint ihm das „Hexli“ – eine kleine Hexe oder ein verzauberndes Wesen – das ihn mit ihrer freundlichen Frage und ihrem „liebevollen“ Auftreten tief beeindruckt. Die Begegnung wirkt beinahe magisch und verändert den Erzähler nachhaltig.

Das Hexlein verschwindet so plötzlich, wie es gekommen ist, und zurück bleibt der Mann, der von nun an in Unruhe lebt. Sein Herz wird „krank“, und er kann weder essen noch schlafen, seine Gedanken kreisen nur noch um das Wesen. Hebel schildert eindrücklich, wie das Hexlein dem Mann „in Sinn“ bleibt, seine Wahrnehmung und Gefühle beeinflusst und ihn von da an in eine Art Getriebenheit versetzt. Die Suche nach dem Hexlein wird zur Sinnsuche, zum ruhelosen Umherirren.

Die Darstellung des Hexleins bleibt ambivalent: Es wirkt lieblich, fast engelsgleich, aber zugleich wie eine übernatürliche Kraft, die das Leben des Mannes verzaubert und durcheinanderbringt. Die Szene an der Grenze von Märchen und Volksglaube verleiht dem Gedicht eine besondere Spannung. Hebel spielt mit der Faszination und der Gefahr, die von solchen rätselhaften Begegnungen ausgehen können.

In seiner volkstümlichen Sprache und mit einfachen, einprägsamen Bildern erzählt Hebel von der Macht eines Moments, der das Leben grundlegend verändern kann. Die ungestillte Sehnsucht nach dem unerreichbaren „Hexli“ bleibt im Zentrum des Gedichts und macht es zu einer Erzählung über Verzauberung, Verlust und die schmerzvolle Suche nach dem Unerreichbaren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.