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Das Gewitter

Von

Der Vogel schwankt so tief und still,
er weiß nit, woner ane will.
Es chunnt so schwarz, und chunnt so schwer,
und in de Lüfte hangt e Meer
voll Dunst und Wetter. Los, wie’s schallt
am Blauen, und wie’s widerhallt.
In große Wirble fliegt der Staub
zum Himmel uf, mit Halm und Laub,
und lueg mer dört sel Wülkli a!
I ha ke große Gfalle dra;
lueg, wie mers usenander rupft,
wie üser eis, wenn’s Wulle zupft.
Se helfis Gott, und bhüetis Gott!
Wie zuckt’s dur’s Gwülch so füürig rot,
und ’s chracht und stoßt, es isch e Gruus,
aß d’Fenster zitteren und ’s Hus.
Lueg ’s Bübli in der Waglen a!
Es schloft, und nimmt si nüt drum a.
Sie lüte z’Schlienge druf und druf,
je, und ’s hört ebe doch nit uf.
Sel bruucht me gar, wenn’s dundere soll,
und ’s lütet eim no d’Ohre voll. –
O, helfis Gott! – Es isch e Schlag!
Dört siehsch im Baum am Gartehag?
Lueg, ’s Bübli schloft no alliwil
und us dem Dundere macht’s nit vil.
Es denkt: ‚Das ficht mi wenig a,
er wird jo d’Auge binem ha.‘
Es schnüfelet, es dreiht si hott
ufs ander Öhrli. Gunn der’s Gott!
O, siehsch die helle Streife dört?
O los! Hesch nit das Raßle ghört?
Es chunnt. Gott wellis gnädig si!
Göhnt weidli, hänket d’Läden i!
’s isch wieder akurat wie fern.
Gut Nacht, du schöni Weizenern.
Es schettert uffem Chilchedach;
und vorem Hus, wie gäutscht’s im Bach,
und ’s loßt nit no – daß Gott erbarm!
Jez simmer wieder alli arm. –
Zwor hemmer au scho gmeint, ’s seig so,
und doch isch ’s wieder besser cho.
Lueg, ’s Bübli schloft no allewil,
und us dem Hagle macht’s nit viel!
Es denkt: ‚Vom Briege loßt’s nit no,
er wird mi Teil schon übrig lo.‘
He jo, ’s het au, so lang i’s ha,
zu rechter Zit si Sächli gha.
O gebis Gott e Chindersinn!
’s isch große Trost und Sege drinn.
Sie schlofe wohl und traue Gott,
wenn’s Spieß und Nägel regne wott,
und er macht au si Sprüchli wohr
mit sinen Englen in der Gfohr. –
Wo isch das Wetter ane cho?
D’Sunn stoht am heitre Himmel do.
’s isch schier gar z’spot, doch grüß di Gott!
„He“, seit sie, „nei, ’s isch no nit z’spot;
es stoht no menge Halm im Bah
und menge Baum, und Öpfel dra.“ –
Potz tausig, ’s Chind isch au verwacht.
Lueg, was es für e Schnüüfeli macht!
Es lächlet, es weiß nüt dervo.
Siehsch, Friederli, wie’s ussieht do? –
Der Schelm het no si Gfalle dra.
Gang, richt em eis si Päppli a!

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Gedicht: Das Gewitter von Johann Peter Hebel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Gewitter“ von Johann Peter Hebel schildert eindrucksvoll die Naturgewalt eines heraufziehenden Sturms und die gleichzeitige kindliche Unbekümmertheit gegenüber dieser Bedrohung. In lebendiger Mundart beschreibt Hebel das Aufziehen und Wüten eines Sommergewitters, das mit Wind, Donner, Blitz und Hagel über das Land zieht. Dabei werden Naturbeobachtungen detailreich und anschaulich geschildert, wie die wirbelnden Staubwolken, die zuckenden Blitze und das Grollen des Donners.

Im Kontrast zur bedrohlichen Szenerie steht das „Bübli“, das trotz der tobenden Naturgewalten ruhig weiterschläft. Während draußen das Unwetter tobt, „zitteren“ die Fenster und „gäutscht’s im Bach“, bleibt das Kind unberührt. Diese Darstellung schafft eine berührende Gegenüberstellung von Angst und Gelassenheit, von der Gewalt der Natur und der Geborgenheit im kindlichen Vertrauen. Hebel zeigt damit, wie sorglos und geschützt die Welt eines Kindes sein kann, selbst wenn rundherum Gefahr und Chaos herrschen.

Die Sprache des Gedichts lebt von der direkten Ansprache und der bildreichen Schilderung. Das Wetter wird fast personifiziert, es „chracht“, „stoßt“ und „schettert“, während die Natur unter der Wucht des Gewitters zu ächzen scheint. Die letzte Strophe, in der sich das Wetter wieder beruhigt und die Sonne „am heitre Himmel“ steht, führt zu einem versöhnlichen Ende. Die Bemerkung, dass „no menge Halm im Bah“ steht, betont die Widerstandskraft der Natur.

Mit leichter Ironie und einem liebevollen Blick auf die kindliche Naivität endet das Gedicht schließlich in einer friedlichen Szene. Hebel zeigt, wie das Kind aus seiner Unwissenheit und dem Urvertrauen heraus das Gewitter unbeirrt übersteht. „Das Gewitter“ ist somit nicht nur eine Naturbeschreibung, sondern auch eine stille Reflexion über Angst, Schutz und kindliche Unschuld im Angesicht der Gefahren des Lebens.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.