Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , ,

Die zehnte Muse

Von

Hohe Lehrerin, Noth, und treffliche Schülerin, Armuth,
Zehnte Muse der Welt, o Du erfandest so viel.
Nicht nur schärfetest Du den Witz der Pflegebefohlnen;
Noch eine schönere Kunst, Mäßigung, lehrtest Du sie.
Und die Mäßigung ward ihr Gewohnheit, Gewohnheit zur Freude;
Freude machte sie dann über den Reichesten reich.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die zehnte Muse von Johann Gottfried Herder

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die zehnte Muse“ von Johann Gottfried Herder feiert die Tugend der „Mäßigung“ als eine zentrale Lehre, die durch die „zehnte Muse“ – eine allegorische Darstellung von „Not“ und „Armut“ – vermittelt wird. In der ersten Strophe wird „Not“ als „hohe Lehrerin“ beschrieben, die eine wertvolle „Schülerin“ in „Armut“ hat. Diese ungewöhnliche Kombination von Not und Armut als Lehrende und Lernende verweist auf die Vorstellung, dass in schwierigen, bescheidenen Umständen besondere Einsichten und Fähigkeiten entwickelt werden können, die in der „Welt“ von unschätzbarem Wert sind.

Die zweite Strophe stellt heraus, dass „Not“ nicht nur den „Witz“ (also den Verstand) der Armen schärfte, sondern ihnen vor allem die Kunst der „Mäßigung“ beibrachte. Diese Kunst der Mäßigung, das Maßhalten und die Bescheidenheit im Leben, wird als eine besonders wertvolle Lehre angesehen. Sie ist eine der schönsten und bedeutendsten Tugenden, die aus den Entbehrungen der Armut hervorgehen können. Es wird gezeigt, dass die Einschränkungen und Herausforderungen, die Armut mit sich bringt, den Weg zu einer höheren, geistigeren Lebensweise ebnen.

In der dritten Strophe wird die Mäßigung zu einer Gewohnheit, die Freude schenkt, und es wird betont, dass diese „Freude“ nicht vom Reichtum abhängt, sondern vielmehr aus der Fähigkeit entsteht, im Maß und in der Einfachheit zu leben. Diese Art der Freude, die durch Mäßigung entsteht, wird als ein wahrer „Reichtum“ dargestellt, der den „Reichesten“ ebenso erfüllt wie die Armen, die aus ihren bescheidenen Umständen schöpfen. Der „Reichste“ wird hier nicht durch materiellen Besitz, sondern durch die „Freude“ der Mäßigung bereichert.

Das Gedicht hebt somit eine tiefere Wahrheit über das Leben hervor: Der wahre Reichtum kommt nicht von äußeren Besitztümern, sondern von innerer Zufriedenheit und der Fähigkeit, mit den einfachen Dingen des Lebens im Einklang zu sein. Durch die Allegorie der „zehnten Muse“ wird die Mäßigung als eine Kunst des Lebens gezeigt, die aus den schwierigeren Umständen der Armut hervorgeht und sowohl den Armen als auch den Reichen eine tiefere Freude schenken kann.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.