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Die Schnupftabaksdose

Von

Es war eine Schnupftabaksdose
Die hatte Friedrich der Große
Sich selbst geschnitzt aus Nussbaumholz
Und darauf war sie natürlich stolz.

Da kam ein Holzwurm gekrochen
Der hatte Nussbaum gerochen
Die Dose erzählte ihm lang und breit
Vom Friedrich dem Großen und seiner Zeit

Sie nannte den alten Fritz generös
Da aber wurde der Holzwurm nervös
Und sagte, indem er zu bohren begann:
„Was geht mich Friedrich der Große an!“

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Gedicht: Die Schnupftabaksdose von Joachim Ringelnatz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Schnupftabaksdose“ von Joachim Ringelnatz ist eine humorvolle Parabel über Eitelkeit, Vergänglichkeit und die Gleichgültigkeit der Natur gegenüber menschlichem Ruhm. Mit einem einfachen, fast kindlich anmutenden Erzählstil lässt Ringelnatz einen absurden Dialog zwischen einer historischen Schnupftabaksdose und einem Holzwurm entstehen – ein typisches Beispiel für seine skurrile, aber tiefsinnige Lyrik.

Im Mittelpunkt steht die Dose, die stolz darauf ist, einst Friedrich dem Großen gehört zu haben und sich als besonderes, fast museales Objekt sieht. Ihre Herkunft und Geschichte geben ihr ein übersteigertes Selbstbewusstsein, das sie dem Holzwurm ausführlich mitteilt. Der Leser erkennt in dieser Szene eine ironische Kritik an Dingen (oder Menschen), die sich zu sehr auf Vergangenheit und Herkunft berufen.

Der Holzwurm hingegen steht für Natur, Instinkt und Gegenwart. Seine Reaktion ist brüsk: Die historische Bedeutung der Dose interessiert ihn nicht, er ist nur auf das Material – Nussbaumholz – aus. Seine Antwort „Was geht mich Friedrich der Große an!“ ist eine bewusste Brechung der Ehrfurcht vor der Geschichte und stellt eine fast anarchistische Haltung gegenüber Autoritäten und Tradition dar.

Ringelnatz spielt hier mit Gegensätzen: Stolz trifft auf Gleichgültigkeit, Kultur auf Natur, Vergangenheit auf Gegenwart. Der lakonische Schluss bringt nicht nur den Witz der Situation auf den Punkt, sondern lässt auch einen tieferen Gedanken zurück – dass nämlich jedes noch so bedeutungsvoll erscheinende Symbol der Geschichte irgendwann von der Zeit, der Natur oder dem banalen Alltag überholt oder zerstört werden kann.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.