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Es hebt sich ein rosa Gesicht

Von

Es hebt sich ein rosa Gesicht
Von der Wand.
Es strahlt ein verwegenes Licht
Von der Wand.
Es kracht mir der Schädel
Beim Anblick der Wand.
Es träumt mir ein Mädel
Beim Anblick der Wand.

O Wand, die in meine leblosen Stunden starrt
Wand, Wand, die meine Seele mit Wundern genarrt
Mit Langeweile und grünlichem Kalk
Mein Freund. Meiner Wünsche Dreckkatafalk.

Soeben erscheint mir der Mond
An der Wand.
Es zeigt mir Herr Cohn seine Hand
An der Wand.
Es schnattert wie Schatten
Pretiös an der Wand.

Verflucht an der Wand!
Und heut an der Wand!
Was stehen denn so viel Leut
An der Wand?

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Gedicht: Es hebt sich ein rosa Gesicht von Jakob van Hoddis

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Es hebt sich ein rosa Gesicht“ von Jakob van Hoddis ist ein kraftvolles Beispiel für den expressionistischen Stil, der das Alltägliche mit einer surrealen und oft bedrohlichen Intensität beschreibt. Der Dichter verwendet die Wand als zentrales Motiv, das sowohl eine physische als auch eine psychologische Grenze darstellt. Die wiederholte Anrufung der Wand („Von der Wand“, „An der Wand“) hebt ihre zentrale Bedeutung hervor und vermittelt eine fast klaustrophobische Stimmung.

Die Wand wird zu einem Ort der Projektionen und inneren Konflikte. Sie ist ein Ort des „verwehten Lichts“, des Schmerzes und der Träume, die jedoch auch von einem „grünlichem Kalk“ und „Langeweile“ begleitet sind. Diese Ambivalenz deutet auf die Entfremdung und das Gefühl der Leere hin, das die lyrische Stimme empfindet. Der „rosa Gesicht“ und das „verwehte Licht“ scheinen anfangs positiv, werden jedoch bald von der Ernüchterung und dem Schmerz des „Schädels“ und der „leblosen Stunden“ überschattet. Die Wand wird somit zum Symbol für die Zerrissenheit zwischen Wunsch und Enttäuschung.

In der zweiten Strophe wird die Wand weiterhin als ein Ort der Entfremdung und der Fata Morgana dargestellt, die sich durch die Erscheinung des Mondes und die „Hand von Herr Cohn“ immer mehr zu einem Ort der Illusion und des Wahnsinns entwickelt. Der Mond könnte als Symbol für eine unerreichbare Sehnsucht oder ein idealisiertes Bild von der Welt verstanden werden, das jedoch unerreichbar bleibt. Die Erwähnung von „Herr Cohn“ und das „Pretiöse“ schnatternde Schatten könnten als Metaphern für die Oberflächlichkeit der Gesellschaft und die Zerrissenheit des modernen Menschen interpretiert werden.

Insgesamt bringt das Gedicht eine starke Frustration und Entfremdung zum Ausdruck. Die Wand ist nicht nur eine physische Grenze, sondern ein Symbol für die innere Zerrissenheit, die der Dichter empfindet. Die wiederholte Verfluchung der Wand („Verflucht an der Wand!“) zeigt den Drang, sich von dieser Starre und Leere zu befreien, während die absurde Situation – das „stehn so viel Leut an der Wand“ – die Verwirrung und den Verlust des eigenen Selbst verdeutlicht. Van Hoddis fängt hier das Gefühl der Desillusionierung und die Sinnlosigkeit in der modernen Welt ein.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.