An die Sonne
Seele der Welt, unermüdete Sonne!
Mutter der Liebe, der Freuden, des Weins!
Ach ohne dich erstarret die Erde
Und die Geschöpfe in Traurigkeit.
Und wie kann ich von deinem Einfluß
Hier allein beseelt und beseeligt
Ach wie kann ich den Rücken dir wenden?
Wärme, Milde! mein Vaterland
Mit deinem süßesten Strahl, nur laß mich,
Ach ich flehe, hier dir näher,
Nah wie der Adler dir bleiben.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An die Sonne“ von Jakob Michael Reinhold Lenz ist eine leidenschaftliche und direkte Anrufung der Sonne, die als lebensspendende und heilende Kraft verehrt wird. Der Sprecher spricht von der Sonne als der „Seele der Welt“ und „Mutter der Liebe, der Freuden, des Weins“ – sie ist die Quelle aller positiven Kräfte, die das Leben auf der Erde ermöglichen. Die Sonne wird als unermüdlich und unaufhörlich dargestellt, als eine universelle Kraft, die alles am Leben erhält und die dunklen Momente vertreibt. Die „Traurigkeit“ der Erde und der Geschöpfe ist ohne sie kaum erträglich, was die zentrale Bedeutung des Lichts und der Wärme in der Existenz des Sprechers unterstreicht.
Der Wunsch, dem Einfluss der Sonne näher zu sein, wird durch die Frage verstärkt, wie der Sprecher „den Rücken dir wenden“ könne, wenn diese Quelle des Lebens und der Freude so unentbehrlich ist. Hier wird die Unmöglichkeit und Unvorstellbarkeit der Trennung von der Sonne betont – sie ist nicht nur eine äußere, physische Kraft, sondern auch eine innere, spirituelle Notwendigkeit für den Sprecher. Diese emotionale Bindung zwischen dem Sprecher und der Sonne lässt sie zu einer fast heiligen und unersetzbaren Entität werden.
In der zweiten Strophe wird die Bitte um Nähe und Verbindung intensiviert. Der Sprecher fleht darum, der Sonne so nahe zu sein wie der „Adler“, der die Sonne in seiner vollen Pracht wahrnimmt und sich von ihrem Licht beflügeln lässt. Die Metapher des Adlers, der hoch und unaufhaltsam fliegt, symbolisiert den Drang des Sprechers, in Einklang mit der Sonne zu leben, in ihrer Wärme und Kraft zu verbleiben. Der „süßeste Strahl“ der Sonne wird als der Inbegriff von Wohlstand und Glück dargestellt, und der Sprecher sehnt sich danach, in ihrer Nähe zu bleiben und in ihrem Licht aufzugehen.
Das Gedicht vermittelt eine tiefe Verbundenheit mit der Natur und ihren Elementen und zeigt die Sonne nicht nur als physische Erscheinung, sondern als Quelle spiritueller Erfüllung und emotionaler Nahrung. Der Sprecher bittet um Nähe und Erfüllung durch die Sonne, was seine Sehnsucht nach innerer Wärme und Lebensfreude zum Ausdruck bringt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.