Im schmerzlichsten Gefühle
Im schmerzlichsten Gefühle
Schwankt in mir Sinn und Denken,
Und spottet aller Kühle,
Die sich, wie es auch blutet,
Dies Herz hat zugemuthet.
Wohin soll es sich lenken?
Wo ist der Wahrheit Helle,
Die jene Zauberstelle,
Der Freud′ und Weh′ entstammt,
Ihm zeigt in ganzer Klarheit,
Ob Trug dort, oder Wahrheit
Verderbend oder segnend flammt?
So bricht des Zweifels Schwüle
Der Seele ganze Kraft,
Die zum Vertrau′n geboren;
Im schmerzlichsten Gewühle
Fühlt sie sich selbst entrafft
Und wie zum Tod erkoren! –
So schwankte Phaëthon′s Wagen
Auf seiner irren Bahn:
Bald stürmt′ er ohne Zagen,
Vertrauend himmelan,
Bald reißet ihn zurücke
Der Erde kalter Neid,
Sie hat in ihrer Tücke
Für ihn den Tod bereit;
In namenlosem Schmerze
Ruft er herbei ihn laut –
O, Herz, mein armes Herze!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Im schmerzlichsten Gefühle“ von Luise Büchner ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Themen Schmerz, Zweifel und der Suche nach Wahrheit in emotionalen Turbulenzen. Es ist eine introspektive Reflexion über die Zerrissenheit des menschlichen Geistes angesichts intensiver Gefühle, die das rationale Denken und die innere Ruhe erschüttern. Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung eines Zustands des tiefsten Schmerzes, in dem Verstand und Gefühl in einem Zustand der Instabilität und des Chaos gefangen sind.
Büchner verwendet in ihren Versen eine eindringliche Sprache, um die innere Zerrissenheit der Seele zu verdeutlichen. Der Zweifel wird als eine alles verzehrende Schwüle beschrieben, die die gesamte Kraft der Seele untergräbt, die ursprünglich zum Vertrauen geschaffen wurde. Die Verwendung des Mythos von Phaëthon als Vergleich verstärkt die Tragweite dieses inneren Konflikts. Phaëthon, der Sohn des Sonnengottes, wird als Symbol für den jugendlichen Übermut und die Hybris interpretiert, die letztendlich in den Untergang führen. Seine Fahrt mit dem Sonnenwagen, die durch unkontrollierte Auf- und Abbewegungen gekennzeichnet ist, spiegelt das Auf und Ab der Emotionen und die Unfähigkeit wider, einen klaren Weg im Leben zu finden.
Der zentrale Konflikt des Gedichts ist die Suche nach Wahrheit und Klarheit in einer Welt, in der die Grenzen zwischen Freude und Leid verschwimmen. Büchner fragt nach der „Wahrheit Helle“, die helfen soll, die „Zauberstelle“ der Gefühle zu durchschauen, die sowohl Freude als auch Leid entspringen. Sie untersucht die Frage, ob diese „Zauberstelle“ Täuschung oder Wahrheit birgt, und ob ihre Wirkung zerstörerisch oder segensreich ist. Diese Suche nach Klarheit angesichts der emotionalen Verwirrung ist ein zentrales Thema, das die gesamte Dichtung durchzieht.
Der emotionale Höhepunkt des Gedichts wird im letzten Vers erreicht, wo das lyrische Ich sein eigenes Herz, als Spiegel des Schmerzes, anspricht. Durch die rhetorische Frage „Hast du dein eigen Bild geschaut?“ wird das Ausmaß der Selbstreflexion und des Leidens verdeutlicht. Dieser Vers lädt den Leser ein, sich mit dem eigenen Schmerz und der eigenen Erfahrung auseinanderzusetzen, und betont die Universalität der menschlichen Erfahrung von Zweifel und Leid. Das Gedicht ist somit ein eindringliches Zeugnis der menschlichen Verzweiflung, aber auch des Strebens nach Klarheit und Wahrheit in einer Welt, die von emotionalen Turbulenzen geprägt ist.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.