Ich will ja nur an Deiner Lippe sterben
Ich will ja nur an Deiner Lippe sterben,
Als Sonnenstaub in Deinem Kuß verfliegen,
Will nur den Schmerz, den tiefen, schweren, herben,
Mit Deines Mundes Lethetrank besiegen.
Ich will ja nicht an Deinem Munde saugen,
Nur fromm und gläubig in Dein Antlitz schauen
Und auf dem Strahle Deiner Wunderaugen
Zum Äther hin demant′ne Brücken bauen.
Ich will ja nicht in Deinem Aug′ mich sonnen,
Nur Worte tauschen süßer Minnefehde,
Nur rauschen hören Deiner Lippe Bronnen
In sanften Wellen zarter Frauenrede.
Ich will ja nicht Dich sehen, küssen, hören,
Ich will ja nur Dein denken im geheimen
Und hoffnungslos der Saite Gold empören
Und mich ergehn in zarten Liebesreimen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Ich will ja nur an Deiner Lippe sterben“ von Moritz Graf von Strachwitz ist eine zarte und melancholische Liebeserklärung, die sich durch eine Verneinung des Begehrens und eine Hinwendung zu einer idealisierten, fast schon mystischen Vorstellung von Liebe auszeichnet. Der Titel selbst gibt bereits die Richtung vor: Der Tod, das Sterben an der geliebten Lippe, wird als höchste Form des Glücks, als Auflösung in einem intensiven Gefühlserlebnis gesehen. Dies wird durch die wiederholte Verwendung des Wortes „nur“ verstärkt, das die scheinbar bescheidenen Wünsche des Sprechers hervorhebt und gleichzeitig ihre Unschuld unterstreicht.
Die erste Strophe etabliert das zentrale Motiv des Sterbens, das jedoch nicht als physischer Tod, sondern als ein metaphorisches Verschwinden in der Nähe der Geliebten verstanden werden muss. Der Sprecher möchte als „Sonnenstaub“ in ihrem Kuss vergehen, sich auflösen und in ihr aufgehen. Zugleich wird der Schmerz, der „tiefe, schwere, herbe“ Schmerz, durch den „Lethetrank“ ihres Mundes, also durch die Liebe, besiegt. Dies deutet auf eine tiefe Sehnsucht nach Erlösung und Trost in der Liebe hin, die jedoch nicht durch eine aktive Handlung, sondern durch eine passive Hingabe erreicht werden soll.
Die folgenden Strophen setzen diese Zurückhaltung fort und unterstreichen die Distanz zum körperlichen Begehren. Der Sprecher möchte nicht „saugen“, nicht „sonnen“, nicht „sehen, küssen, hören“ – all diese Wünsche werden durch die Verneinung als Tabu oder als unwichtig dargestellt. Stattdessen konzentriert er sich auf eine rein geistige und emotionale Verbindung. Er möchte „fromm und gläubig in Dein Antlitz schauen“, „Worte tauschen süßer Minnefehde“ und „Deiner Lippe Bronnen“ hören. Die Liebe wird hier zu einer Art spiritueller Erfahrung, bei der die äußeren Reize zugunsten der inneren, idealisierten Gefühle in den Hintergrund treten.
In der letzten Strophe erreicht die Verklärung der Liebe ihren Höhepunkt. Der Sprecher möchte nicht die Geliebte selbst, sondern lediglich an sie denken „im geheimen“. Er möchte „hoffnungslos der Saite Gold empören“ und sich in „zarten Liebesreimen“ ergehen. Diese Formulierung deutet auf eine unerschütterliche, unerwiderte Liebe hin, die sich in der Kunst, in der Poesie, entfalten kann. Die Liebe wird hier zum Gegenstand der Sehnsucht, der Kontemplation und der ästhetischen Gestaltung, eine Liebe, die sich selbst genügt und keine Erfüllung durch körperliche Nähe oder Besitz sucht. Das Gedicht ist somit eine Hommage an die reine, idealisierte Liebe, die in ihrer unerreichbaren Schönheit ihren eigenen Wert findet.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.