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Höchstes Leid

Von

Hart ist′s an dem Grab zu steh′n
Derer, die du heiß geliebet,
Hart auch, wie am Fels der Zeit
Traum um Traum in Nichts zerstiebet.

Bittrer als des Todes Raub,
Und was kalt die Zeit entwendet,
Ist′s, wenn du dein best Gefühl
An Unwürdige verschwendet.

Wie ein Bettler stehst du da,
Der sein Alles hingegeben,
Dem nichts blieb von seinem Schatz,
Als das nackte, arme Leben.

Wie, von roher Hand gestürzt,
Liegt ein Götterbild im Staube,
Also ist ein Trümmerhauf′
Deines Herzens schönster Glaube!

Neue Rosen bringt die Zeit,
Frisches Grün das Grab umkleidet,
Aber öd′ bleibt dieser Platz
Und kein Thau drauf niedergleitet!

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Gedicht: Höchstes Leid von Luise Büchner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Höchstes Leid“ von Luise Büchner entfaltet in vier Strophen ein tiefes Gefühl des Verlustes und der Enttäuschung, wobei es verschiedene Arten von Leid in einen Vergleich setzt. Das Gedicht beginnt mit dem Schmerz des Verlustes geliebter Menschen am Grab, was als schwer empfunden wird. Doch diese Trauer wird im Verlauf des Gedichts von einer tiefergehenden, subjektiveren Erfahrung des Leids abgelöst, die durch den Verlust des Glaubens und die Enttäuschung durch missbrauchte Gefühle entsteht.

In der zweiten Strophe wird der Fokus auf eine noch bitterere Form des Leids gelenkt: die Verschwendung der eigenen Gefühle an unwürdige Personen. Diese Erfahrung wird als qualvoller als der Tod selbst dargestellt, da sie die eigene innere Welt nachhaltig beschädigt. Die Metapher des „Unwürdigen“ deutet auf die Erfahrung von Verrat oder emotionaler Ausbeutung hin, die das Selbstwertgefühl und die Fähigkeit zur Liebe tiefgreifend beeinträchtigen kann. Der Verlust der Illusionen und die daraus resultierende Leere werden als zentrales Motiv des Gedichts etabliert.

Die dritte und vierte Strophe vertiefen diese Thematik. Die lyrische Stimme vergleicht sich mit einem Bettler, der alles gegeben hat und nun mit leeren Händen dasteht. Die Metapher des „Götterbilds im Staube“ veranschaulicht den Zerfall des einst so verehrten Glaubens, der Vertrauens in das Gute und Schöne. Dieser Verlust des Glaubens wird als das „höchste Leid“ empfunden, da er das Fundament der eigenen Existenz erschüttert. Der abschließende Vers, in dem die Zeit neue Rosen bringt, aber das Grab der verlorenen Gefühle öd und ohne Tau bleibt, verdeutlicht die Hoffnungslosigkeit und die Unfähigkeit, Trost zu finden.

Das Gedicht zeichnet sich durch eine klare Sprache und eindrucksvolle Bilder aus, die das emotionale Erleben des lyrischen Ichs unmittelbar erfahrbar machen. Die Verwendung von Metaphern und Vergleichen, wie dem „Götterbild im Staube“ oder dem Bettler, verstärkt die Intensität der Gefühle und ermöglicht eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Themen Verlust, Enttäuschung und der Zerstörung des Glaubens. Büchners Werk reflektiert somit auf berührende Weise die menschliche Erfahrung von Leid und die Suche nach Trost in einer Welt, die oft von Täuschung und Vergänglichkeit geprägt ist.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.