Kaiserswerth
Die Stille segnet dich mit vollen Händen,
mein Städtchen. Wie ein milder ernster Greis,
der sich den Tod längst nicht mehr schrecklich weiß,
wallt leis der Rhein vorbei, gewillt zu enden.
Mit Schiffchen spielt er, lässt sich sanft verwenden
und malt dich zitternd ab zu deinem Preis:
Den grauen Dom, die tote Burg, den Kreis
der kleinen Häuser mit geweißten Wänden.
Horch! Es schlägt Mittag. Alle Glocken klingen
vermischt, wie Alt und Jung zusammenleben.
Die Tauben aufgeschreckt ums Kirchdach schweben,
den Turmhahn lüstet es, sich mitzuschwingen.
Die Sonne lacht aus zarten Wolken matt
der Menschenzeit auf goldnem Zifferblatt.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Kaiserswerth“ von Herbert Eulenberg zeichnet ein liebevolles, fast meditatives Bild der kleinen Stadt am Rhein. Die ruhige Atmosphäre wird von der „Stille“ geprägt, die das Städtchen segnet. Der Rhein, der sanft vorbeifließt, wird mit einem alten Greis verglichen, der dem Tod gelassen entgegensieht. Diese Darstellung vermittelt ein Gefühl von Beständigkeit und Frieden, als sei Kaiserswerth ein Ort außerhalb der hastigen Zeit.
Die zweite Strophe vertieft dieses Bild durch visuelle Impressionen: Die Stadt spiegelt sich im Wasser, und ihre Wahrzeichen – der Dom, die Burgruine und die kleinen Häuser mit weißen Wänden – erscheinen wie ein harmonisches Gesamtbild. Das Wasser des Rheins übernimmt dabei die Rolle eines Künstlers, der das Städtchen liebevoll nachzeichnet und es so gewissermaßen unsterblich macht.
In der dritten Strophe wird die ruhige Szenerie durch das Mittagsläuten der Glocken belebt. Der Klang vermischt sich wie die verschiedenen Generationen der Stadtbewohner, und selbst die Tauben und der Wetterhahn scheinen von diesem Moment erfasst zu sein. Diese Verbindung von Klang und Bewegung verleiht dem Gedicht eine sanfte Dynamik, ohne die grundsätzliche Ruhe zu stören.
Das Schlussbild rundet die Szenerie mit einer poetischen Reflexion über die Zeit ab. Die Sonne scheint matt durch die Wolken und beleuchtet das „goldene Zifferblatt“ – ein Sinnbild für die Vergänglichkeit und gleichzeitige Beständigkeit des Lebens. Eulenberg gelingt es, Kaiserswerth als einen Ort der Stille und Gelassenheit darzustellen, in dem die Vergangenheit, Gegenwart und Natur in harmonischem Einklang stehen.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.